"Untersuchung eines Toten und Ausstellung einer vorläufigen Todesbescheinigung gemäß landesrechtlicher Bestimmungen, gegebenenfalls einschließlich Aktenstudium und Einholung von Auskünften bei Angehörigen, vorbehandelnden Ärzten, Krankenhäusern und Pflegediensten (Dauer mindestens 20 Minuten), gegebenenfalls einschließlich Aufsuchen (vorläufige Leichenschau)"
Die GOÄ-Ziffer 100 ist die zentrale Gebührenposition für die Durchführung einer vorläufigen Leichenschau. Sie honoriert eine ärztliche Tätigkeit, die weit über die reine Feststellung des Todes hinausgeht und eine hohe Sorgfalt erfordert.
Die Leistungslegende definiert einen komplexen Aufgabenbereich, der sich in folgende Kernbestandteile zerlegen lässt:
Eine entscheidende Voraussetzung für die Abrechnung des vollen Satzes ist die Mindestdauer von 20 Minuten. Die Zeitmessung beginnt mit dem Eintreffen am Fundort und endet mit der Unterschrift auf der Todesbescheinigung.
In der Vorbemerkung zur Ziffer 100 ist geregelt: "Dauert die Leistung nach Nummer 100 weniger als 20 Minuten (ohne Aufsuchen), mindestens aber 10 Minuten (ohne Aufsuchen), sind 60 Prozent der Gebühr zu berechnen."
Diese Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass auch eine sorgfältige Leichenschau unter bestimmten Umständen (z.B. bei bekanntem Krankheitsverlauf auf einer Palliativstation) weniger Zeit in Anspruch nehmen kann, aber dennoch korrekt honoriert werden muss.
Die Leichenschau ist eine der verantwortungsvollsten und emotional anspruchsvollsten Aufgaben im ärztlichen Alltag. Umso wichtiger ist es, diese Leistung korrekt zu dokumentieren und abzurechnen, um Beanstandungen durch Kostenträger von vornherein zu vermeiden. Hier erfahren Sie, wie Sie die GOÄ 100 revisionssicher anwenden.
Hausärztlicher Bereitschaftsdienst: Ein Hausarzt wird nachts zu einem 85-jährigen Patienten gerufen, der von seiner Ehefrau leblos im Bett aufgefunden wurde. Der Arzt fährt zum Patienten, führt die Leichenschau durch, spricht ausführlich mit der Ehefrau über die bekannte schwere Herzerkrankung des Verstorbenen und stellt die Todesbescheinigung aus. Gesamtdauer vor Ort: 45 Minuten.
Pflegeheim: Eine Ärztin wird vom Pflegepersonal in ein Seniorenheim gerufen, da eine Bewohnerin mit bekannter, fortgeschrittener Demenz und Kachexie verstorben ist. Die Ärztin sichtet die Pflegedokumentation, untersucht die Verstorbene und füllt die Papiere aus. Gesamtdauer: 25 Minuten.
Notarzteinsatz: Ein Notarzt wird zu einem Verkehrsunfall gerufen und kann bei einem der Beteiligten nur noch den Tod feststellen. Nach der Untersuchung und der vorläufigen Klärung der Identität stellt er die vorläufige Todesbescheinigung aus. Die Informationsbeschaffung ist hier minimal. Dauer der reinen Leichenschau-Tätigkeit: 15 Minuten. Hier wären 60 % der Gebühr anzusetzen.
Die Abrechnung der GOÄ 100 birgt einige Fallstricke, die regelmäßig zu Rückfragen und Beanstandungen führen. Achten Sie besonders auf folgende Punkte:
Achtung – Fester Gebührensatz: Die Leistungen nach den Nummern 100 und 101 sowie der Zuschlag nach Nummer 102 sind nur mit dem einfachen Gebührensatz berechnungsfähig. Eine Steigerung des Faktors ist unter keinen Umständen zulässig, auch nicht bei außergewöhnlichem Aufwand.
Achtung – Kein Besuch neben der Leichenschau: Das Aufsuchen ist integraler Bestandteil der GOÄ 100. Der Ansatz einer Besuchsgebühr (z.B. GOÄ 50) neben der GOÄ 100 ist daher grundsätzlich ausgeschlossen und gilt nach herrschender Kommentarlage als Abrechnungsfehler. Dies wurde bereits im Deutschen Ärzteblatt (12/01) klargestellt und kann im schlimmsten Fall als Betrugsversuch gewertet werden.
Eine lückenlose Dokumentation ist der beste Schutz vor Beanstandungen. Notieren Sie die exakten Uhrzeiten, um die Leistungsdauer plausibel nachweisen zu können.
Mini-Dokumentationsbeispiel:
15:30: Ankunft am Sterbeort (Adresse).
15:35 - 15:50: Untersuchung der Leiche, Feststellung der sicheren Todeszeichen.
15:50 - 16:05: Gespräch mit Angehörigen/Pflegepersonal zur Anamnese und den Todesumständen.
16:05 - 16:20: Ausfüllen der Todesbescheinigung (Teil A, B, C).
16:20: Ende der Leistung (Unterschrift).
Gesamtdauer: 50 Minuten.
Die GOÄ 100 ist nicht steigerungsfähig. Es ist zwingend der 1,0-fache Satz anzuwenden. Die Gebühr ist als Pauschale konzipiert, die den durchschnittlichen Aufwand abdeckt.
Obwohl viele Leistungen ausgeschlossen sind, können einige Positionen korrekt neben der GOÄ 100 abgerechnet werden:
Wegegeld (§ 8 GOÄ): Die für die An- und Abfahrt zurückgelegte Strecke kann und sollte als Wegegeld abgerechnet werden.
Zuschläge für Unzeit (F-H): Findet die Leichenschau zu den in der GOÄ definierten Unzeiten statt (nachts, an Wochenenden oder Feiertagen), sind die entsprechenden Zuschläge (F, G, H) berechnungsfähig.
GOÄ 70: Wird zu einem späteren Zeitpunkt eine zweite, separate Ausfertigung einer Bescheinigung benötigt (z.B. für eine Feuerbestattung), kann hierfür nach überwiegender Kommentarmeinung die GOÄ 70 angesetzt werden.
Sonderfall GOÄ 50: Einziger praxisrelevanter Fall: Wurde der Arzt zu einem Patienten gerufen, der zum Zeitpunkt der Anforderung noch lebte, bei Eintreffen des Arztes aber bereits verstorben ist, kann nach herrschender Auffassung neben der GOÄ 100 auch die GOÄ 50 für den angeforderten Besuch abgerechnet werden. Dies muss in der Rechnung plausibel begründet werden.
Folgende Leistungen sind explizit Bestandteil der GOÄ 100 und dürfen nicht zusätzlich berechnet werden:
GOÄ 48 bis 52 (Aufsuchen)
GOÄ 5 bis 9 (Symptombezogene Untersuchung)
GOÄ 60 (Konsiliarische Erörterung)
GOÄ 70, 75, 80 (Für die Ausstellung der ersten Todesbescheinigung)
GOÄ 101 (Zweite Leichenschau)
Die Zeitmessung ist entscheidend für die korrekte Abrechnung der GOÄ 100. Sie beginnt mit dem Eintreffen des Arztes am Leichenfundort und endet mit der abschließenden Unterschrift auf der Todesbescheinigung. Zur Leistungszeit zählen alle Tätigkeiten, die in der Leistungslegende genannt sind. Dazu gehören nicht nur die Untersuchung des Leichnams selbst, sondern ausdrücklich auch das Aktenstudium (z.B. Sichtung von Pflege- oder Krankenhausunterlagen) und die Einholung von Auskünften bei Dritten wie Angehörigen, Pflegekräften oder Vorbehandlern. Dokumentieren Sie Start- und Endzeitpunkt sowie die durchgeführten Teilschritte für eine plausible Abrechnung.
Ja, dies ist der einzige praxisrelevante Sonderfall, in dem nach herrschender Auffassung ein Nebeneinander von GOÄ 50 und GOÄ 100 möglich ist. Entscheidend ist der Zustand des Patienten zum Zeitpunkt der Anforderung des Besuches. Wurden Sie zu einem lebenden Patienten gerufen, um eine ärztliche Behandlung durchzuführen, und ist dieser erst vor oder bei Ihrem Eintreffen verstorben, so wurde der Besuch als solcher erbracht. Die anschließend durchgeführte Leichenschau ist eine separate Leistung. Es ist ratsam, diesen Sachverhalt in der Rechnung kurz zu erläutern (z.B. "Anforderung zum Hausbesuch bei lebendem Patienten"), um Rückfragen zu vermeiden.
Nein, eine Steigerung des Gebührensatzes über den 1,0-fachen Satz hinaus ist bei der GOÄ 100 ausgeschlossen. Die Gebührenordnung legt explizit fest, dass diese Ziffer nur mit dem einfachen Satz berechnungsfähig ist. Der Gesetzgeber betrachtet die Gebühr als eine Pauschale, die den durchschnittlichen Aufwand abdeckt. Erschwerte Umstände wie eine Durchführung zu ungünstigen Zeiten werden nicht über den Faktor, sondern über die Zuschläge für Unzeiten (Zuschläge F, G, H) honoriert, die neben der GOÄ 100 angesetzt werden können.
Nein, dieses Vorgehen ist unzulässig und stellt einen Verstoß gegen das Gebühren- und Berufsrecht dar. Eine ärztliche Vergütung wird gemäß § 12 GOÄ erst fällig, nachdem eine formell korrekte Rechnung ausgestellt wurde. Eine Pauschalforderung oder die Forderung nach sofortiger Barzahlung vor Rechnungsstellung ist nicht statthaft. Das Verwaltungsgericht Gießen hat in einem Urteil (AZ: 21 K 1466/09.GI.B) klargestellt, dass ein solches Verhalten einen vorsätzlichen Verstoß gegen die ärztlichen Berufspflichten darstellt. Die Rechnung für die GOÄ 100 ist an die Erben des Verstorbenen zu richten und nach den Vorgaben des § 12 GOÄ zu erstellen.