Die GOÄ-Ziffer 1011 beschreibt die Amniozentese einschließlich der Fruchtwasserentnahme. Sie ist im Abschnitt H (Geburtshilfe und Gynäkologie) der Gebührenordnung für Ärzte verortet und stellt eine zentrale Leistung in der Pränataldiagnostik dar.
Die Leistungslegende der Ziffer 1011 ist kurz und präzise, umfasst aber alle notwendigen Teilschritte des Eingriffs. Zerlegt man sie in ihre prüferlogischen Bestandteile, ergibt sich folgendes Bild:
Ein entscheidender Punkt, der diese Ziffer von vielen anderen in der GOÄ unterscheidet, ist ihre Abrechnungsmodalität. Es handelt sich um eine Leistung mit einem festen Gebührensatz.
Praxisrelevanter Hinweis: Für die GOÄ-Ziffer 1011 gilt für alle Kostenträger (Private Krankenversicherungen, Beihilfestellen etc.) ausschließlich der 1-fache Gebührensatz. Eine Steigerung über den einfachen Satz hinaus ist nicht zulässig.
Diese Festlegung verhindert Diskussionen über den Schwierigkeitsgrad oder Zeitaufwand des Eingriffs und sorgt für eine einheitliche und unstrittige Abrechnung der Kernleistung. Die zur Durchführung des Eingriffs notwendige Sichtkontrolle, in der Regel per Ultraschall, wird als integraler Bestandteil der Leistung angesehen und ist daher nicht separat abrechenbar (siehe Ausschlüsse).
Die Amniozentese ist ein etabliertes Verfahren in der Schwangerschaftsüberwachung und -diagnostik. Die korrekte Abrechnung nach GOÄ 1011 erfordert jedoch die Kenntnis einiger wichtiger Details, insbesondere bei der Kombination mit anderen Leistungen wie dem Ultraschall.
In der gynäkologischen Praxis kommt die Ziffer 1011 in verschiedenen klinischen Situationen zur Anwendung:
Der häufigste und kostspieligste Fehler bei der Abrechnung der GOÄ 1011 ist der Versuch, die Ziffer zu steigern oder den zur Punktion notwendigen Kontroll-Ultraschall separat abzurechnen.
Achtung: Fester Satz und klare Ausschlüsse!
Die GOÄ 1011 ist eine Festbetragsleistung und darf niemals gesteigert werden. Zudem sind die Ziffern für die Ultraschalluntersuchung des Feten (GOÄ 415) oder der Abdominalorgane (GOÄ 410) als Bestandteil der Punktionssteuerung explizit nicht neben der GOÄ 1011 abrechenbar.
Die Ultraschallkontrolle zur Lokalisation der Fruchthöhle, der Plazenta und des Feten sowie zur Führung der Nadel ist integraler Bestandteil der Leistung nach Ziffer 1011. Eine separate Berechnung ist ein sicherer Grund für eine Rechnungskürzung durch Kostenträger.
Eine saubere Dokumentation ist der Schlüssel zur Vermeidung von Rückfragen. Sie sollte den Eingriff lückenlos nachvollziehbar machen.
Mini-Dokumentationsbeispiel:
"15.08.2023, 10:15 Uhr: Amniozentese bei V.a. Trisomie 21 (mütterliches Alter). Patientin umfassend über Risiken und Alternativen aufgeklärt, schriftl. Einverständnis liegt vor. Durchführung: Nach Desinfektion transabdominale Punktion unter sterilen Kautelen und kontinuierlicher sonographischer Kontrolle. Problemlose Aspiration von 20 ml klarem Fruchtwasser. Fetale Herzfrequenz post interventionem unauffällig. Material an Labor Dr. Mustermann versandt. Nächster Schritt: Befundbesprechung in ca. 10 Tagen."
Nein. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der GOÄ 1011 um eine der wenigen Leistungen der GOÄ, die mit einem festen 1,0-fachen Satz vergütet wird. Eine Begründung nach § 5 GOÄ zur Anwendung eines höheren Satzes ist hier ausgeschlossen.
Obwohl die Ziffer selbst nicht steigerbar ist, kann sie sinnvoll mit anderen Leistungen kombiniert werden:
Neben der GOÄ 1011 sind folgende Ziffern nicht im selben Behandlungsfall berechnungsfähig:
Die GOÄ-Ziffer 1011 gehört zu einer kleinen Gruppe von Leistungen, für die der Verordnungsgeber einen festen Gebührensatz festgelegt hat. Im Gebührenverzeichnis ist dies explizit vermerkt. Das bedeutet, dass der 1,0-fache Satz für alle Kostenträger verbindlich ist und nicht mittels einer Begründung nach § 5 Abs. 2 GOÄ (z.B. wegen besonderer Schwierigkeit, Zeitaufwand oder Umstände) gesteigert werden darf. Der durchschnittliche Aufwand wurde bei der Festlegung des Satzes bereits berücksichtigt. Ein Versuch der Steigerung führt unweigerlich zu einer Kürzung durch die private Krankenversicherung oder Beihilfestelle.
Nein, der Ultraschall zur reinen Führung der Nadel und zur Kontrolle während des Eingriffs ist integraler Bestandteil der Leistung nach GOÄ 1011. Die Abrechnungsausschlüsse zu den Nrn. 410 und 415 in der GOÄ sind hier eindeutig. Eine Ausnahme besteht nach herrschender Kommentarlage nur dann, wenn eine vollständige, diagnostische Ultraschalluntersuchung mit einer eigenständigen medizinischen Fragestellung durchgeführt wird, die über die Punktionssteuerung hinausgeht. Ein Beispiel wäre eine notwendige sonographische Untersuchung der mütterlichen Nieren wegen Flankenschmerzen im selben Termin. Dies muss zwingend mit einer separaten Diagnose in der Rechnung begründet werden.
Der wichtigste und in der Praxis häufigste Zuschlag ist die GOÄ-Ziffer 442 (Zuschlag für ambulante Operationen der Kategorie A2). Die Amniozentese ist im Anhang zum Kapitel C VIII der GOÄ in der Kategorie A2 aufgeführt. Die Voraussetzung für die Abrechnung ist, dass der Eingriff ambulant und unter Bedingungen durchgeführt wird, die eine intraoperative Überwachung ermöglichen (z.B. in einem Eingriffs- oder Operationsraum). Andere Zuschläge, wie beispielsweise für die Anwendung eines Lasers oder Mikroskops, sind bei diesem Eingriff in der Regel nicht relevant.
Diese Frage zielt auf einen wichtigen Auslegungsspielraum ab. Der generelle Ausschluss der GOÄ 410 bezieht sich auf deren Anwendung zur Steuerung und Kontrolle der Amniozentese. Wenn Sie jedoch aus einer anderen, eigenständigen medizinischen Indikation heraus eine vollständige Ultraschalluntersuchung eines Organs (wie der Blase der Mutter bei Verdacht auf einen Harnwegsinfekt) durchführen, wird dies nach gängiger Auffassung als separate, abrechenbare Leistung angesehen. Entscheidend für die Anerkennung durch die Kostenträger ist eine stichhaltige und nachvollziehbare medizinische Begründung in der Rechnung, die klarstellt, dass diese Untersuchung nicht der Punktionshilfe diente.