Die GOÄ-Ziffer 1012 beschreibt die Blutentnahme beim Fetus zur pränatalen Diagnostik, einschließlich Punktion und Materialentnahme. Diese hochspezialisierte Leistung, auch als Chordozentese oder Nabelschnurpunktion bekannt, ist ein invasiver Eingriff, der in der Regel nur in spezialisierten pränataldiagnostischen Zentren durchgeführt wird. Sie dient der Gewinnung von fetalem Blut, um eine Vielzahl von genetischen, hämatologischen oder infektiologischen Fragestellungen zu klären.
Für eine revisionssichere Abrechnung ist das genaue Verständnis der Leistungsbestandteile entscheidend:
Wichtiger Abrechnungshinweis: Für die GOÄ-Ziffer 1012 gilt eine besondere Regelung bezüglich des Steigerungsfaktors. Nach herrschender Kommentarlage und Praxis ist diese Leistung nur mit dem 1,0-fachen Satz abrechenbar. Eine Steigerung ist hier nicht vorgesehen.
Die Ziffer 1012 ist im Abschnitt H der GOÄ verortet, der Leistungen der Pränatal- und Geburtsmedizin umfasst. Sie stellt eine der komplexesten diagnostischen Maßnahmen in diesem Bereich dar und erfordert höchste ärztliche Expertise sowie eine entsprechende technische Ausstattung.
Die Abrechnung der fetalen Blutentnahme nach GOÄ 1012 erfordert nicht nur medizinisches, sondern auch gebührenrechtliches Fingerspitzengefühl. Während der Eingriff selbst klar definiert ist, lauern die Herausforderungen im Detail – bei der korrekten Kombination mit anderen Ziffern und vor allem beim Steigerungsfaktor.
In der Praxis wird die Ziffer 1012 bei spezifischen und oft dringlichen Indikationen angesetzt. Hier sind einige typische Szenarien:
Die GOÄ 1012 ist eine Ziffer mit klaren Regeln, deren Missachtung regelmäßig zu Beanstandungen durch Kostenträger führt. Der häufigste Fehler ist der Versuch, einen Steigerungsfaktor über 1,0 anzusetzen. Dies ist bei dieser Ziffer explizit nicht möglich.
Achtung – Fester Satz und Ausschlüsse: Die GOÄ-Ziffer 1012 ist nur mit dem 1,0-fachen Satz berechnungsfähig. Zudem sind laut Gebührenordnung die Ziffern 250*, 251, 307, 315, 410 und 415 neben der GOÄ 1012 im selben Behandlungsfall nicht abrechenbar.
Der Ausschluss der Ultraschallziffern GOÄ 410 und 415 ist besonders relevant. Er bedeutet, dass die ultraschallgestützte Führung der Punktionsnadel integraler Bestandteil der Leistung nach Ziffer 1012 ist und nicht separat berechnet werden kann. Eine diagnostische Ultraschalluntersuchung, die zur Indikationsstellung führt, muss klar zeitlich und inhaltlich von dem eigentlichen Punktionseingriff getrennt sein, um abrechnungsfähig zu sein.
Eine lückenlose und präzise Dokumentation ist der Schlüssel zur Vermeidung von Rückfragen. Sie sollte den gesamten Prozess von der Indikation bis zum Ergebnis nachvollziehbar abbilden.
Beispiel für einen Dokumentationseintrag:
Datum/Uhrzeit: 24.05.2023, 11:30 Uhr
Indikation: V. a. fetale Anämie bei Rhesus-Inkompatibilität (Gravida II, Para I), SSW 32+4. Deutlich erhöhte Vmax in der ACM.
Aufklärung: Umfassende Aufklärung der Patientin über Vorgehen, Risiken (Blasensprung, Infektion, fetale Bradykardie) und Alternativen. Schriftliche Einwilligung liegt vor.
Durchführung: Unter sterilen Kautelen und ständiger Ultraschallkontrolle transabdominale Punktion der intrahepatischen Umbilikalvene. Aspiration von 1,2 ml Fetalblut.
Befund: Fetale Herzfrequenz vor und nach dem Eingriff unauffällig. Keine Blutung an der Punktionsstelle.
Weiteres Vorgehen: Sofortanalyse des Blutes (Hb-Wert), Restmaterial an Labor [Name] für weitere Analysen. Patientin zur postinterventionellen Überwachung (CTG) für 2 Stunden.
Wie bereits erwähnt, ist eine Steigerung der GOÄ 1012 über den 1,0-fachen Satz hinaus nicht möglich. Dies ist eine feststehende gebührenrechtliche Besonderheit dieser Ziffer, die von allen Kostenträgern konsequent umgesetzt wird. Der hohe Aufwand der Leistung ist bereits in der hohen Punktzahl der Ziffer abgebildet.
Die expliziten Ausschlüsse verdeutlichen den umfassenden Charakter der Ziffer 1012:
Die GOÄ sieht für bestimmte, meist hochtechnisierte oder kostenintensive Leistungen Pauschalhonorare vor, bei denen der hohe Aufwand bereits in der Bewertung berücksichtigt ist. Die GOÄ-Ziffer 1012 fällt in diese Kategorie. In den Kommentaren zur Gebührenordnung ist dies klar geregelt: Für diese Leistung gilt für alle Kostenträger der 1,0-fache Satz. Der Versuch einer Steigerung, selbst mit einer ausführlichen Begründung, wird von privaten Krankenversicherungen und Beihilfestellen regelhaft abgewiesen. Die Vergütung erfolgt ausschließlich über die festgelegte Punktzahl zum einfachen Gebührensatz.
Ja, die Ultraschalluntersuchung, die zur direkten Führung der Punktionsnadel und zur Kontrolle des Eingriffs dient, ist ein integraler Bestandteil der GOÄ 1012. Dies wird durch den expliziten Abrechnungsausschluss der Ultraschall-Ziffern GOÄ 410 und 415 untermauert. Eine separate Abrechnung dieser Ziffern für die Sichtkontrolle während der Intervention ist nicht zulässig. Eine diagnostische Ultraschalluntersuchung (z.B. ein Fehlbildungsultraschall), die zu einem früheren Zeitpunkt zur Indikationsstellung für die Punktion geführt hat, ist davon unberührt und kann selbstverständlich separat abgerechnet werden.
Ja, die Kombination der GOÄ 1012 mit einer Beratungsleistung, insbesondere der GOÄ 3, ist nach herrschender Auffassung möglich und in der Praxis sehr häufig. Die Indikationen für eine Chordozentese sind stets schwerwiegend und erfordern eine intensive Erörterung der Befunde, der Risiken des Eingriffs und der Konsequenzen. Wenn diese Beratung die Mindestdauer von 10 Minuten überschreitet, sind die Voraussetzungen für die GOÄ 3 erfüllt. Wichtig ist eine saubere Dokumentation, die den Inhalt und die Dauer des Gesprächs festhält und es zeitlich vom reinen Eingriff abgrenzt.
Das Sternchen (*) hinter der Ziffer 250 in der Ausschlussliste bedeutet in der gebührenrechtlichen Auslegung, dass nicht nur die GOÄ 250 (Venenpunktion bei einem Kind bis zum vollendeten 8. Lebensjahr), sondern auch die nachfolgenden Ziffern derselben Kategorie, also GOÄ 250a (Venenpunktion bei einem Kind nach dem 8. Lebensjahr) und GOÄ 251 (Kapillarblutentnahme), ausgeschlossen sind. Der Ausschluss ist logisch, da die hochkomplexe fetale Blutentnahme nach Ziffer 1012 den einfachen Akt der Blutgewinnung bereits vollumfänglich beinhaltet und eine Doppelhonorierung somit vermieden wird.