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Gebührenordnung für Ärtze (GOÄ)

GOÄ 1012: Blutentnahme beim Fetus

17.12.2025
|
7
Minuten
Autor(en):
Niklas Tyler
Co-Founder | Doctario
Leander Löw
Co-Founder | Doctario
Samuel Pemsel
Co-Founder | Doctario

Zusammenfassung

Abschnitt:
H
  
Einfachsatz:
1
4.31
Regelhöchstsatz:
2.3
9.92
Höchstsatz:
3.5
15.10
Ausschlüsse:
250*, 251, 307, 315, 410, 415

Definition und Leistungsinhalt der GOÄ-Ziffer 1012

Die GOÄ-Ziffer 1012 beschreibt die Blutentnahme beim Fetus zur pränatalen Diagnostik, einschließlich Punktion und Materialentnahme. Diese hochspezialisierte Leistung, auch als Chordozentese oder Nabelschnurpunktion bekannt, ist ein invasiver Eingriff, der in der Regel nur in spezialisierten pränataldiagnostischen Zentren durchgeführt wird. Sie dient der Gewinnung von fetalem Blut, um eine Vielzahl von genetischen, hämatologischen oder infektiologischen Fragestellungen zu klären.

Die Leistungslegende im Detail

Für eine revisionssichere Abrechnung ist das genaue Verständnis der Leistungsbestandteile entscheidend:

  • Blutentnahme beim Fetus: Der Kern der Leistung ist die Entnahme von Blut direkt aus einem fetalen Gefäß, typischerweise der Nabelschnurvene. Dies unterscheidet die Ziffer grundlegend von der Entnahme mütterlichen Blutes zur nicht-invasiven Pränataldiagnostik.
  • Zur pränatalen Diagnostik: Die Abrechnung der Ziffer 1012 ist an eine klare diagnostische Indikation gebunden. Es muss ein medizinischer Grund vorliegen, der die Untersuchung von Fetalblut erfordert.
  • Einschließlich Punktion und Materialentnahme: Die Leistungslegende stellt klar, dass der technische Akt der Punktion (z. B. der mütterlichen Bauchdecke und der Nabelschnur) sowie die Aspiration des Blutes untrennbare Bestandteile der Ziffer sind. Einfache Punktionen oder Blutentnahmen (wie GOÄ 250) können daher nicht zusätzlich berechnet werden.

Wichtiger Abrechnungshinweis: Für die GOÄ-Ziffer 1012 gilt eine besondere Regelung bezüglich des Steigerungsfaktors. Nach herrschender Kommentarlage und Praxis ist diese Leistung nur mit dem 1,0-fachen Satz abrechenbar. Eine Steigerung ist hier nicht vorgesehen.

Die Ziffer 1012 ist im Abschnitt H der GOÄ verortet, der Leistungen der Pränatal- und Geburtsmedizin umfasst. Sie stellt eine der komplexesten diagnostischen Maßnahmen in diesem Bereich dar und erfordert höchste ärztliche Expertise sowie eine entsprechende technische Ausstattung.

GOÄ 1012 in der Praxis: Anwendung, Fallstricke und Dokumentation

Die Abrechnung der fetalen Blutentnahme nach GOÄ 1012 erfordert nicht nur medizinisches, sondern auch gebührenrechtliches Fingerspitzengefühl. Während der Eingriff selbst klar definiert ist, lauern die Herausforderungen im Detail – bei der korrekten Kombination mit anderen Ziffern und vor allem beim Steigerungsfaktor.

Typische Praxisbeispiele für die GOÄ 1012

In der Praxis wird die Ziffer 1012 bei spezifischen und oft dringlichen Indikationen angesetzt. Hier sind einige typische Szenarien:

  • Verdacht auf fetale Anämie: Nach einer auffälligen Doppler-Sonographie (z. B. erhöhte Flussgeschwindigkeit in der A. cerebri media) bei bekannter Rhesus-Inkompatibilität wird Fetalblut zur direkten Bestimmung des Hämoglobinwertes entnommen, um über eine intrauterine Transfusion zu entscheiden.
  • Schnelle Karyotypisierung: Bei fortgeschrittener Schwangerschaft und einem dringenden Verdacht auf eine Chromosomenanomalie (z. B. nach auffälligem Ultraschallbefund) ermöglicht die Blutanalyse eine schnellere Diagnosestellung als die Kultivierung von Zellen aus Fruchtwasser oder Chorionzotten.
  • Abklärung einer intrauterinen Infektion: Besteht der Verdacht auf eine Infektion des Fetus (z. B. mit Zytomegalievirus (CMV), Parvovirus B19 oder Toxoplasmose), kann im Fetalblut direkt nach Erreger-DNA oder spezifischen Antikörpern (IgM) gesucht werden.
  • Verdacht auf eine Gerinnungsstörung: Bei seltenen familiären Gerinnungsstörungen kann eine pränatale Diagnostik aus Fetalblut notwendig sein, um das Management der Geburt zu planen.

Häufige Fehler und Abrechnungsausschlüsse

Die GOÄ 1012 ist eine Ziffer mit klaren Regeln, deren Missachtung regelmäßig zu Beanstandungen durch Kostenträger führt. Der häufigste Fehler ist der Versuch, einen Steigerungsfaktor über 1,0 anzusetzen. Dies ist bei dieser Ziffer explizit nicht möglich.

Achtung – Fester Satz und Ausschlüsse: Die GOÄ-Ziffer 1012 ist nur mit dem 1,0-fachen Satz berechnungsfähig. Zudem sind laut Gebührenordnung die Ziffern 250*, 251, 307, 315, 410 und 415 neben der GOÄ 1012 im selben Behandlungsfall nicht abrechenbar.

Der Ausschluss der Ultraschallziffern GOÄ 410 und 415 ist besonders relevant. Er bedeutet, dass die ultraschallgestützte Führung der Punktionsnadel integraler Bestandteil der Leistung nach Ziffer 1012 ist und nicht separat berechnet werden kann. Eine diagnostische Ultraschalluntersuchung, die zur Indikationsstellung führt, muss klar zeitlich und inhaltlich von dem eigentlichen Punktionseingriff getrennt sein, um abrechnungsfähig zu sein.

Praxisbewährter Hinweis zur Dokumentation

Eine lückenlose und präzise Dokumentation ist der Schlüssel zur Vermeidung von Rückfragen. Sie sollte den gesamten Prozess von der Indikation bis zum Ergebnis nachvollziehbar abbilden.

Beispiel für einen Dokumentationseintrag:

Datum/Uhrzeit: 24.05.2023, 11:30 Uhr
Indikation: V. a. fetale Anämie bei Rhesus-Inkompatibilität (Gravida II, Para I), SSW 32+4. Deutlich erhöhte Vmax in der ACM.
Aufklärung: Umfassende Aufklärung der Patientin über Vorgehen, Risiken (Blasensprung, Infektion, fetale Bradykardie) und Alternativen. Schriftliche Einwilligung liegt vor.
Durchführung: Unter sterilen Kautelen und ständiger Ultraschallkontrolle transabdominale Punktion der intrahepatischen Umbilikalvene. Aspiration von 1,2 ml Fetalblut.
Befund: Fetale Herzfrequenz vor und nach dem Eingriff unauffällig. Keine Blutung an der Punktionsstelle.
Weiteres Vorgehen: Sofortanalyse des Blutes (Hb-Wert), Restmaterial an Labor [Name] für weitere Analysen. Patientin zur postinterventionellen Überwachung (CTG) für 2 Stunden.

Steigerung und Kombinationsmöglichkeiten

Steigerungsfähigkeit

Wie bereits erwähnt, ist eine Steigerung der GOÄ 1012 über den 1,0-fachen Satz hinaus nicht möglich. Dies ist eine feststehende gebührenrechtliche Besonderheit dieser Ziffer, die von allen Kostenträgern konsequent umgesetzt wird. Der hohe Aufwand der Leistung ist bereits in der hohen Punktzahl der Ziffer abgebildet.

Typische und sinnvolle Kombinationen

  • Beratungsziffern (GOÄ 1, 3, 4): Insbesondere die eingehende Beratung über einen Befund und das weitere Vorgehen nach GOÄ 3 (Dauer >10 Minuten) ist aufgrund der schwerwiegenden Indikationen fast immer notwendig und neben der GOÄ 1012 abrechenbar.
  • CTG-Kontrolle (GOÄ 1000): Eine Kardiotokographie zur Überwachung der fetalen Herzfrequenz vor und/oder nach dem invasiven Eingriff ist medizinisch indiziert und kann zusätzlich berechnet werden.
  • Laboruntersuchungen (Abschnitt M): Die Analyse des gewonnenen Blutes wird mit den entsprechenden Ziffern aus dem Laborabschnitt der GOÄ abgerechnet.

Abrechnungsausschlüsse im Detail

Die expliziten Ausschlüsse verdeutlichen den umfassenden Charakter der Ziffer 1012:

  • GOÄ 250*, 251: Die einfache Blutentnahme ist logischerweise in der hochkomplexen fetalen Blutentnahme enthalten.
  • GOÄ 307 (Amniozentese), GOÄ 315 (Chorionzottenbiopsie): Dies sind alternative Verfahren der invasiven Pränataldiagnostik. Es wird in der Regel nur eines dieser Verfahren pro Sitzung durchgeführt.
  • GOÄ 410, 415: Die Ultraschalluntersuchung zur Steuerung und Kontrolle des Eingriffs ist integraler Leistungsbestandteil.

Häufig gestellte Fragen

Warum darf ich die GOÄ 1012 nicht steigern, obwohl der Eingriff sehr aufwendig und risikoreich ist?

Die GOÄ sieht für bestimmte, meist hochtechnisierte oder kostenintensive Leistungen Pauschalhonorare vor, bei denen der hohe Aufwand bereits in der Bewertung berücksichtigt ist. Die GOÄ-Ziffer 1012 fällt in diese Kategorie. In den Kommentaren zur Gebührenordnung ist dies klar geregelt: Für diese Leistung gilt für alle Kostenträger der 1,0-fache Satz. Der Versuch einer Steigerung, selbst mit einer ausführlichen Begründung, wird von privaten Krankenversicherungen und Beihilfestellen regelhaft abgewiesen. Die Vergütung erfolgt ausschließlich über die festgelegte Punktzahl zum einfachen Gebührensatz.

Ist die Ultraschallkontrolle während der Punktion in der GOÄ 1012 enthalten?

Ja, die Ultraschalluntersuchung, die zur direkten Führung der Punktionsnadel und zur Kontrolle des Eingriffs dient, ist ein integraler Bestandteil der GOÄ 1012. Dies wird durch den expliziten Abrechnungsausschluss der Ultraschall-Ziffern GOÄ 410 und 415 untermauert. Eine separate Abrechnung dieser Ziffern für die Sichtkontrolle während der Intervention ist nicht zulässig. Eine diagnostische Ultraschalluntersuchung (z.B. ein Fehlbildungsultraschall), die zu einem früheren Zeitpunkt zur Indikationsstellung für die Punktion geführt hat, ist davon unberührt und kann selbstverständlich separat abgerechnet werden.

Kann ich neben der GOÄ 1012 auch eine Beratung nach GOÄ 3 abrechnen?

Ja, die Kombination der GOÄ 1012 mit einer Beratungsleistung, insbesondere der GOÄ 3, ist nach herrschender Auffassung möglich und in der Praxis sehr häufig. Die Indikationen für eine Chordozentese sind stets schwerwiegend und erfordern eine intensive Erörterung der Befunde, der Risiken des Eingriffs und der Konsequenzen. Wenn diese Beratung die Mindestdauer von 10 Minuten überschreitet, sind die Voraussetzungen für die GOÄ 3 erfüllt. Wichtig ist eine saubere Dokumentation, die den Inhalt und die Dauer des Gesprächs festhält und es zeitlich vom reinen Eingriff abgrenzt.

Was bedeutet der Abrechnungsausschluss '250*' genau?

Das Sternchen (*) hinter der Ziffer 250 in der Ausschlussliste bedeutet in der gebührenrechtlichen Auslegung, dass nicht nur die GOÄ 250 (Venenpunktion bei einem Kind bis zum vollendeten 8. Lebensjahr), sondern auch die nachfolgenden Ziffern derselben Kategorie, also GOÄ 250a (Venenpunktion bei einem Kind nach dem 8. Lebensjahr) und GOÄ 251 (Kapillarblutentnahme), ausgeschlossen sind. Der Ausschluss ist logisch, da die hochkomplexe fetale Blutentnahme nach Ziffer 1012 den einfachen Akt der Blutgewinnung bereits vollumfänglich beinhaltet und eine Doppelhonorierung somit vermieden wird.

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