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Gebührenordnung für Ärtze (GOÄ)

GOÄ 1022: Beistand bei einer Geburt, auch Risikogeburt, regelwidriger Kindslage, Mehrlingsgeburt, ausschließlich Kunsthilfe, sofern der Arzt die Geburt auf natürlichem Wege bis zur Beendigung geleitet hat

15.12.2025
|
6
Minuten
Autor(en):
Niklas Tyler
Co-Founder | Doctario
Leander Löw
Co-Founder | Doctario
Samuel Pemsel
Co-Founder | Doctario

Zusammenfassung

Abschnitt:
H
  
Einfachsatz:
1
75.77
Regelhöchstsatz:
2.3
174.28
Höchstsatz:
3.5
265.21
Ausschlüsse:
GOÄ 1021, GOÄ 1032

Die GOÄ 1022: Definition des ärztlichen Beistands bei der Geburt

Die GOÄ-Ziffer 1022 honoriert den ärztlichen Beistand bei einer Geburt, die auf natürlichem Wege bis zur Beendigung geleitet wird. Die Leistungslegende lautet: „Beistand bei einer Geburt, auch Risikogeburt, regelwidriger Kindslage, Mehrlingsgeburt, ausschließlich Kunsthilfe, sofern der Arzt die Geburt auf natürlichem Wege bis zur Beendigung geleitet hat“.

Diese Ziffer ist speziell für Situationen konzipiert, in denen der Arzt zwar anwesend und handlungsbereit ist, aber keine abrechenbare operative oder geburtshilfliche Leistung erbringen muss. Der Kern der Leistung ist die kontinuierliche Präsenz und Überwachung.

Schlüsselelemente der Leistungslegende

  • Beistand bei einer Geburt: Dies ist der zentrale Begriff. Er beschreibt eine passive, aber hochkonzentrierte Rolle. Die Kommentarliteratur definiert dies klar:

    „Als Beistand gilt die dauernde tätige Bereitschaft ohne Ausübung einer abrechnungsfähigen Leistung.“

  • Auch Risikogeburt, regelwidrige Kindslage etc.: Die Aufzählung verdeutlicht, dass die Ziffer explizit auch für komplexe und potenziell gefährliche Geburtssituationen gilt. Der erhöhte Überwachungsaufwand bei diesen Konstellationen ist bereits im Leistungsinhalt berücksichtigt.
  • Auf natürlichem Wege bis zur Beendigung geleitet: Die Voraussetzung ist, dass die Geburt spontan und ohne signifikante ärztliche Eingriffe (wie z. B. eine Zangenentbindung) verläuft. Der Arzt begleitet und überwacht diesen natürlichen Prozess.

Der Begriff der „Geburt“ wird dabei nach gängiger Auslegung als der gesamte Prozess von Wehenbeginn bis zum Abschluss der Nachgeburtsperiode verstanden. Die GOÄ 1022 honoriert somit die ärztliche Verantwortung und die zur Verfügung gestellte Zeit und Expertise, auch wenn kein aktives Eingreifen notwendig wird.

GOÄ 1022 in der Praxis: Wann und wie abrechnen?

Die GOÄ 1022 ist eine wichtige, aber in der Anwendung oft missverstandene Ziffer. Sie schließt die Lücke zwischen reiner Rufbereitschaft und aktivem geburtshilflichem Handeln. Hier erfahren Sie, wie Sie diese Leistung revisionssicher in Ihrem Praxisalltag anwenden.

Typische Praxisbeispiele für die GOÄ 1022

  • Begleitung einer Risikogeburt: Eine Patientin mit Gestationsdiabetes oder einer vorangegangenen komplizierten Geburt wünscht eine 1:1-Betreuung durch den Arzt im Kreißsaal oder Geburtshaus. Der Arzt ist über Stunden anwesend, überwacht den Verlauf, wertet CTG-Daten aus und steht für den Notfall bereit. Die Geburt verläuft jedoch spontan und ohne Komplikationen.

  • Beistand bei einer Hausgeburt: Der niedergelassene Gynäkologe oder Allgemeinarzt wird zu einer geplanten Hausgeburt hinzugezogen, um die Sicherheit für Mutter und Kind zu gewährleisten. Die Hebamme leitet die Geburt, der Arzt bleibt aber als medizinischer „Backup“ durchgehend vor Ort, ohne selbst operative Maßnahmen durchführen zu müssen.

  • Verdacht auf Geburtsstillstand: Bei einer protrahierten Eröffnungsphase ist der Arzt anwesend, um die Situation engmaschig zu beurteilen und über eine mögliche sekundäre Sectio zu entscheiden. Die Wehentätigkeit normalisiert sich jedoch, und die Geburt kommt auf natürlichem Wege zum Abschluss.

Häufige Fehler und wie Sie sie vermeiden

Gerade bei Pauschalen wie der GOÄ 1022 lauern Fallstricke, die zu Beanstandungen durch Kostenträger führen können. Achten Sie besonders auf die folgenden Punkte:

Abrechnung neben aktiven geburtshilflichen Leistungen

Der häufigste Fehler ist die Kombination der GOÄ 1022 mit Ziffern, die ein aktives Eingreifen beschreiben. Sobald Sie eine eigenständig abrechenbare Leistung erbringen (z.B. eine Episiotomie nach GOÄ 1035 oder eine Entwicklung aus Beckenendlage nach GOÄ 1024), ist der Tatbestand des reinen „Beistands“ nicht mehr erfüllt. In diesem Fall ist stattdessen die GOÄ 1021 (Geburt) oder eine andere passende Ziffer anzusetzen.

Wichtiger Hinweis: Die GOÄ 1022 ist explizit nicht neben der GOÄ 1021 (Geburt, auch Mehrlingsgeburt) und der GOÄ 1032 (Kaiserschnitt und seine erschwerten Varianten) berechnungsfähig. Diese Leistungen schließen sich gegenseitig aus.

Praxisbewährter Tipp für die Dokumentation

Eine lückenlose Dokumentation ist Ihr bester Schutz vor Rückfragen. Notieren Sie die Dauer Ihrer Anwesenheit und den Grund für den Beistand präzise in der Patientenakte. Das schafft Transparenz und begründet die medizinische Notwendigkeit.

Mini-Dokumentationsbeispiel:

Datum: 15.08.2023
Anlass: Ärztlicher Beistand bei Geburt auf Wunsch der Patientin bei Z.n. sekundärer Sectio 2021.
Beginn Anwesenheit: 14:30 Uhr (bei Muttermund 4 cm).
Ende Anwesenheit: 19:45 Uhr (nach Abschluss der Nachgeburtsperiode).
Verlauf: Kontinuierliche Überwachung von Mutter und Kind. Spontangeburt eines gesunden Knaben um 19:10 Uhr ohne Notwendigkeit abrechenbarer ärztlicher Interventionen. Plazenta vollständig ausgestoßen.
Ergebnis: Abrechnung GOÄ 1022, GOÄ 56 (6x).

Steigerungssatz und Kombinationsmöglichkeiten

Steigerung: Eine klare Regelung

Die GOÄ 1022 ist eine der wenigen Leistungen in der GOÄ, für die ein fester Satz gilt. Eine Steigerung über den 1,0-fachen Satz ist nicht möglich. Der Leistungstext schließt bereits komplexe Szenarien wie Risikogeburten mit ein, sodass eine Erhöhung des Satzes aufgrund von Schwierigkeiten oder Zeitaufwand nicht vorgesehen ist.

Abrechnungsrelevanter Hinweis: Für die GOÄ 1022 gilt für alle Kostenträger ausnahmslos der 1,0-fache Satz. Jeder Ansatz eines höheren Faktors führt unweigerlich zur Kürzung.

Sinnvolle Kombinationen und Ausschlüsse

Die wichtigste und häufigste Kombinationsmöglichkeit ist die Verweilgebühr nach GOÄ 56. Nach herrschender Kommentarlage sind die ersten zwei Stunden der Anwesenheit mit der Gebühr für die GOÄ 1022 abgegolten. Dauert der Beistand jedoch länger als zwei Stunden, kann für jede weitere angefangene halbe Stunde die GOÄ 56 angesetzt werden.

  • Erlaubte Kombination: GOÄ 1022 + GOÄ 56 (ab der 3. Stunde)

  • Denkbare Kombinationen: Beratungen (z.B. GOÄ 3) oder Untersuchungen (z.B. GOÄ 6, 7), die zeitlich klar getrennt vor dem eigentlichen Beginn des geburtshilflichen Beistands stattfinden.

  • Abrechnungsausschluss: Wie bereits erwähnt, ist die Kombination mit den Ziffern für die aktive Geburtsleitung (GOÄ 1021) oder den Kaiserschnitt (GOÄ 1032) ausgeschlossen.

Häufig gestellte Fragen

Was genau bedeutet 'dauernde tätige Bereitschaft' im Kontext der GOÄ 1022?

„Dauernde tätige Bereitschaft“ ist der Kern der GOÄ 1022 und beschreibt einen Zustand aktiver Überwachung und sofortiger Handlungsbereitschaft. Es bedeutet, dass der Arzt sich ausschließlich der Gebärenden widmet, den Geburtsfortschritt kontinuierlich beurteilt (z. B. durch Analyse des CTGs, Beobachtung der Vitalparameter) und mental sowie physisch bereit ist, bei der geringsten Komplikation sofort einzugreifen. Es ist mehr als passive Anwesenheit im Nebenzimmer; es ist eine hochkonzentrierte medizinische Überwachungsleistung, auch wenn am Ende keine abrechenbare Intervention notwendig wird.

Ich war insgesamt 5 Stunden bei einer Geburt anwesend. Kann ich GOÄ 1022 und 5 Stunden Verweilgebühr abrechnen?

Nein, das ist so nicht korrekt. Die Gebühr für die GOÄ 1022 schließt nach gängiger Auslegung die ersten zwei Stunden des Beistands bereits ein. Die Verweilgebühr nach GOÄ 56 kann erst für die Zeit nach Ablauf dieser ersten zwei Stunden berechnet werden. In Ihrem Fall bedeutet das: 5 Stunden Gesamtzeit minus 2 Stunden (in GOÄ 1022 enthalten) ergibt 3 Stunden, für die die Verweilgebühr ansetzbar ist. Da die GOÄ 56 je angefangene halbe Stunde berechnet wird, können Sie also 6-mal die GOÄ 56 zusätzlich zur GOÄ 1022 abrechnen.

Warum darf die GOÄ 1022 nicht gesteigert werden, auch wenn es eine besonders anstrengende Risikogeburt war?

Die GOÄ 1022 ist als Pauschale mit einem festen Gebührensatz (1,0-fach) konzipiert. Der Grund dafür liegt in der Leistungslegende selbst: Sie nennt explizit „auch Risikogeburt, regelwidriger Kindslage, Mehrlingsgeburt“. Der Verordnungsgeber hat damit bereits berücksichtigt, dass der Beistand unter erschwerten Bedingungen stattfinden kann. Der Mehraufwand bei solchen Konstellationen ist also bereits im Leistungsinhalt und der Bewertung der Ziffer einkalkuliert. Eine individuelle Steigerung zur Abbildung eines besonderen Aufwands ist daher nicht vorgesehen und würde von Kostenträgern nicht anerkannt.

Was rechne ich ab, wenn ich während des Beistands nach GOÄ 1022 doch eine Episiotomie durchführen muss?

In dem Moment, in dem Sie eine eigenständig abrechenbare, operative Leistung wie die Episiotomie (Dammschnitt, GOÄ 1035) durchführen, wandelt sich Ihre Rolle vom passiven „Beistand“ zum aktiv Handelnden. Damit ist die Voraussetzung für die GOÄ 1022 („ohne Ausübung einer abrechnungsfähigen Leistung“) nicht mehr erfüllt und die Ziffer entfällt. Stattdessen rechnen Sie die Ziffer für die aktive Geburtsleitung ab, in der Regel die GOÄ 1021, und zusätzlich die GOÄ 1035 für die Episiotomie selbst. Es ist entscheidend, dass Sie in der Rechnung die Ziffer wählen, die den tatsächlichen Verlauf widerspiegelt.

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