Die GOÄ-Ziffer 1029 beschreibt die "Innere oder kombinierte Wendung – auch mit Extraktion –". Diese hochspezialisierte geburtshilfliche Leistung ist im Abschnitt H (Geburtshilfe) der Gebührenordnung für Ärzte verortet und kommt bei geburtsmechanisch komplizierten Lagen des Kindes zum Einsatz.
Die Leistungslegende lässt sich in ihre wesentlichen Bestandteile zerlegen, die für eine korrekte Abrechnung und Dokumentation verstanden werden müssen:
Für die Abrechnungspraxis sind insbesondere die offiziellen Kommentare und Beschlüsse von zentraler Bedeutung, da sie den Rahmen für die Anwendung dieser Ziffer abstecken.
Ein wesentlicher Punkt, der oft zu Rückfragen führt, ist die Vergütungshöhe. Hierzu gibt es eine klare Vorgabe: "Für alle Kostenträger gilt bei dieser Leistung (GOÄ Nr. 1029) der 1-fache Satz!"
Des Weiteren existieren spezifische Regelungen zur Kombinierbarkeit und zu Ausschlüssen, die eine revisionssichere Abrechnung erst ermöglichen.
Beachten Sie den Abrechnungsausschluss: "Neben Nr. 1029 ist folgende Nr. nicht abrechnungsfähig: 1028 (Äußere Wendung)".
Diese Regelungen unterstreichen den Charakter der GOÄ 1029 als komplexe, aber klar definierte Einzelleistung für spezifische geburtshilfliche Notfallsituationen oder geplante Interventionen bei Zwillingsgeburten.
Die Abrechnung der GOÄ 1029 erfordert aufgrund ihrer Seltenheit und der spezifischen Vorgaben besondere Sorgfalt. Während die Definition klar ist, lauern die Tücken im Detail – insbesondere bei der Steigerung und den Kombinationsmöglichkeiten. Dieser Leitfaden übersetzt die Theorie in den geburtshilflichen Alltag.
In diesen konkreten Szenarien ist die Abrechnung der Ziffer 1029 nach herrschender Kommentarlage indiziert:
Der häufigste und kostspieligste Fehler bei der GOÄ 1029 ist der Versuch, die Ziffer zu steigern. Dies führt unweigerlich zu Beanstandungen durch Kostenträger.
Achtung – Feste Gebühr: Die GOÄ-Ziffer 1029 ist eine sogenannte Festgebühr. Sie darf unter keinen Umständen mit einem Steigerungsfaktor über 1,0 berechnet werden. Die hohe Punktzahl der Leistung trägt der Komplexität bereits Rechnung. Jeglicher Steigerungsversuch ist unzulässig und wird von PKV und Beihilfe konsequent gekürzt.
Ein weiterer Fallstrick ist die falsche Kombination von Ziffern. Die Extraktion ist bereits Leistungsbestandteil. Eine zusätzliche Abrechnung der Geburt selbst (z.B. GOÄ 1021/1022) für *dasselbe Kind* ist nicht möglich.
Eine lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation ist Ihr bester Schutz bei Prüfungen. Sie sollte die medizinische Notwendigkeit des Eingriffs unzweifelhaft belegen.
Mini-Dokumentationsbeispiel (für Geburt des 2. Zwillings):
"Datum/Uhrzeit: [Datum], [Uhrzeit]
Anlass: Zustand nach Spontangeburt von Zwilling A. Persistierende Querlage von Zwilling B bei vollstd. MM und regelrechter Herztätigkeit.
Maßnahme: Nach Aufklärung der Patientin über Risiken und Alternativen (sek. Sectio) Einverständnis zur inneren Wendung. Durchführung der inneren Wendung auf Fußlage unter Tokolyse. Anschließende komplikationslose Extraktion des Kindes (männlich, 2800g).
Ergebnis: Apgar 8/9/10, pH-Wert Nabelarterie 7,28. Geringer Blutverlust.
Nächster Schritt: Versorgung nach Plazentageburt."
Wie bereits erwähnt, ist eine Steigerung der GOÄ 1029 nicht möglich. Es handelt sich um eine der wenigen Leistungen in der GOÄ mit einem festen Gebührensatz (1,0-fach). Begründungen wie "besonderer Zeitaufwand" oder "erschwerte Bedingungen" sind hier irrelevant und führen nicht zu einer höheren Vergütung.
Obwohl die Extraktion in der Ziffer 1029 enthalten ist, gibt es eine wichtige, praxisrelevante Kombinationsmöglichkeit, die sich aus der Kommentarlage ergibt:
Abrechnungsrelevanter Hinweis: "Neben der Leistung nach Nr. 1029 kann jeweils eine Leistung nach der Nr. 1021 oder 1022 zusätzlich abgerechnet werden."
Diese Regelung wird in der Praxis so ausgelegt, dass sie vor allem bei Zwillingsgeburten greift. Hier wird die Geburt des ersten Kindes (z.B. Spontangeburt, GOÄ 1021) und die Wendung mit Extraktion des zweiten Kindes (GOÄ 1029) als zwei separate geburtshilfliche Hauptleistungen für zwei verschiedene Kinder angesehen. In diesem Fall können beide Ziffern nebeneinander auf der Rechnung stehen.
Die Gebührenordnung schließt die gleichzeitige Abrechnung der GOÄ 1029 mit der GOÄ 1028 (Äußere Wendung) explizit aus. Dies ist medizinisch logisch: Eine äußere Wendung wird typischerweise vor Geburtsbeginn versucht, um eine Beckenendlage zu korrigieren. Eine innere Wendung ist ein intrapartaler Eingriff unter völlig anderen Bedingungen. Die beiden Verfahren schließen sich für dieselbe geburtshilfliche Situation aus.
Die GOÄ 1029 ist als sogenannte "Festgebühr" konzipiert, bei der immer der 1,0-fache Satz gilt. Der Verordnungsgeber hat bei bestimmten, hochkomplexen oder teuren Leistungen feste Sätze definiert, um Abrechnungsstreitigkeiten über die Angemessenheit von Steigerungsfaktoren von vornherein zu vermeiden. Die Komplexität, der hohe Schwierigkeitsgrad und das erhebliche Risiko des Eingriffs sind bereits in der hohen Punktzahl der Leistung eingepreist. Eine zusätzliche Steigerung ist daher nicht vorgesehen und würde von den Kostenträgern als nicht konform mit der Gebührenordnung angesehen und gekürzt werden.
Das klassische und prüfsichere Szenario für die Nebeneinanderberechnung ist die Zwillingsgeburt. Nach herrschender Auffassung handelt es sich um zwei getrennte Geburtsvorgänge. Wird der erste Zwilling spontan geboren, rechnen Sie dafür die GOÄ 1021 ab. Liegt der zweite Zwilling anschließend in einer Querlage, die eine innere Wendung mit Extraktion erfordert, rechnen Sie für dieses Kind die GOÄ 1029 ab. Beide Ziffern können in diesem Fall auf derselben Rechnung für dasselbe Geburtsereignis aufgeführt werden, da sie sich auf die Geburt von zwei unterschiedlichen Kindern beziehen.
Obwohl beide Begriffe die Geburt des Kindes beschreiben, beziehen sie sich auf fundamental unterschiedliche Techniken. Die 'Extraktion' nach GOÄ 1029 ist die manuelle Entwicklung des Kindes, typischerweise durch Ziehen an den Füßen, nachdem es durch die Wendung in eine Längslage gebracht wurde. Die 'Entwicklung' mittels Zange (GOÄ 1024) oder Saugglocke (GOÄ 1025) ist eine instrumentelle Geburtsbeendigung, bei der ein Instrument am Kopf des Kindes angesetzt wird, um die Austreibungsphase zu unterstützen oder zu verkürzen. Es handelt sich um verschiedene geburtshilfliche Manöver für unterschiedliche Indikationen.
Ja, das ist unter bestimmten Umständen möglich, aber niemals für dieselbe Sitzung oder denselben unmittelbaren Geburtsvorgang. Der Ausschluss bezieht sich auf die gleichzeitige Anwendung. Ein typisches, abrechnungstechnisch korrektes Szenario wäre: In der 37. SSW wird eine erfolglose äußere Wendung (GOÄ 1028) bei Beckenendlage durchgeführt und abgerechnet. Wochen später, während der Geburt, ergibt sich aus einer anderen Kindslage (z.B. Querlage) die Notwendigkeit einer inneren Wendung (GOÄ 1029). Da es sich um zwei zeitlich und in der Indikation klar getrennte ärztliche Leistungen handelt, ist die Abrechnung beider Ziffern im Behandlungsfall möglich. Die Dokumentation muss dies klar widerspiegeln.