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Gebührenordnung für Ärtze (GOÄ)

GOÄ 106: Entnahme einer Körperflüssigkeit bei einem Toten (ab 1.1.2020)

16.12.2025
|
6
Minuten
Autor(en):
Niklas Tyler
Co-Founder | Doctario
Leander Löw
Co-Founder | Doctario
Samuel Pemsel
Co-Founder | Doctario

Zusammenfassung

Abschnitt:
B
  
Einfachsatz:
1
8.74
Regelhöchstsatz:
2.3
20.11
Höchstsatz:
3.5
30.60
Ausschlüsse:
GOÄ 250, GOÄ 251, Leistungen des Abschnitts C.III., Leistungen des Abschnitts L

Offizielle Beschreibung nach GOÄ

Die GOÄ-Ziffer 106 beschreibt die Entnahme einer Körperflüssigkeit bei einem Toten. Diese Leistung wurde zum 01.01.2020 in die Gebührenordnung für Ärzte aufgenommen, um eine spezifische Abrechnungsmöglichkeit für postmortale diagnostische Maßnahmen zu schaffen, die im Rahmen oder zusätzlich zu einer Leichenschau erfolgen.

Der offizielle Leistungstext lautet: "Entnahme einer Körperflüssigkeit bei einem Toten"

Schlüsselelemente der Leistungslegende

  • Entnahme: Dies umfasst den gesamten Vorgang der Gewinnung der Flüssigkeit, einschließlich der notwendigen Punktion oder Inzision. Separate Ziffern für die Punktion selbst sind daher ausgeschlossen.
  • einer Körperflüssigkeit: Die Ziffer ist pro entnommener, unterschiedlicher Körperflüssigkeit (z.B. Blut, Urin, Liquor) ansetzbar.
  • bei einem Toten: Die Anwendung der Ziffer ist ausschließlich auf den postmortalen Kontext beschränkt und kann nicht bei lebenden Patienten abgerechnet werden.

Die Kommentarlage stellt hierzu klar, dass diese Ziffer eine notwendige Ergänzung zur Leichenschau darstellt und spezifische Regelungen für die Abrechnung vorsieht.

Nach gängiger Kommentierung ist die Nr. 106 neben der Leichenschau (Nrn. 100 oder 101) zusätzlich abrechenbar. Sofern während der Leichenschau mehrere Körperflüssigkeiten (z.B. Blut, Urin, Liquor usw.) entnommen werden, so ist die Leistung für die Entnahme auch entsprechend mehrfach abrechenbar. Eine zusätzliche Abrechnung der Entnahme mit weiteren Gebührenziffern, wie z.B. der Blutentnahme aus der Vene oder Arterie nach den Nrn. 250 oder 251 bzw. Punktionen nach Kapitel L, ist nicht zulässig.

Ein wesentlicher Punkt, der bei der Abrechnung zu beachten ist: Die GOÄ-Ziffer 106 ist eine Leistung, die ausschließlich mit dem 1-fachen Satz abgerechnet wird. Eine Steigerung des Faktors ist hier nicht vorgesehen.

Die GOÄ 106 im Praxisalltag: Anwendung und Fallstricke

Die Entnahme von Körperflüssigkeiten bei einem Verstorbenen ist eine ärztliche Tätigkeit, die oft auf Anordnung von Behörden wie der Kriminalpolizei oder der Staatsanwaltschaft erfolgt. Die korrekte Abrechnung nach GOÄ 106 ist dabei entscheidend, um Beanstandungen durch Kostenträger zu vermeiden. Hier erfahren Sie, wie Sie diese Ziffer revisionssicher anwenden.

Praxisbeispiele für die Anwendung der GOÄ 106

  • Szenario 1 (Verkehrsunfall): Ein Arzt wird zur Leichenschau nach einem tödlichen Verkehrsunfall gerufen. Die anwesende Polizei ordnet zur Klärung der Schuldfähigkeit die Entnahme von Blut zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration (BAK) und von Urin für ein Drogenscreening an. Der Arzt rechnet ab: 1x GOÄ 100, 2x GOÄ 106 (für Blut und Urin), Wegegeld und ggf. Zuschläge für Unzeiten.
  • Szenario 2 (Unklare Todesursache): Im Rahmen einer Leichenschau in einer Wohnung besteht der Verdacht auf eine Intoxikation. Zur toxikologischen Untersuchung wird Mageninhalt und Blut entnommen. Die Abrechnung umfasst neben der GOÄ 100 auch zweimal die GOÄ 106.
  • Szenario 3 (Verdacht auf Infektion): Bei einem Verstorbenen mit unklarer Fiebersymptomatik vor dem Tod ordnet das Gesundheitsamt zur Klärung einer möglichen meldepflichtigen Erkrankung die Entnahme von Liquor cerebrospinalis an. Der Arzt rechnet die Leichenschau (GOÄ 100) und einmal die GOÄ 106 ab.

Häufige Fehler und Abrechnungsausschlüsse

Obwohl die Ziffer klar definiert ist, kommt es in der Praxis immer wieder zu Fehlern, die zu Kürzungen führen. Der häufigste Fehler ist der Versuch, die Leistung zu steigern oder falsch zu kombinieren.

Achtung: Fester Satz und klare Ausschlüsse!
Die GOÄ-Ziffer 106 ist eine sogenannte "Festbetragsziffer". Sie ist immer nur mit dem 1-fachen Satz abrechenbar. Eine Steigerung, auch bei besonderem Aufwand, ist ausgeschlossen. Zudem dürfen für die Entnahme keine anderen Ziffern wie die GOÄ 250 (Blutentnahme), GOÄ 251 (arterielle Blutentnahme) oder Punktionsziffern aus den Abschnitten C.III oder L angesetzt werden. Die GOÄ 106 ist eine allumfassende Ziffer für diese spezifische Leistung.

Tipps für die revisionssichere Dokumentation

Eine lückenlose Dokumentation ist bei Leistungen, die oft im behördlichen Auftrag erfolgen, unerlässlich. Sie dient nicht nur der rechtlichen Absicherung, sondern auch als Grundlage für eine anstandslose Rechnungsstellung.

Praxisbewährter Dokumentationshinweis:

Führen Sie in Ihrer Dokumentation (z.B. im Leichenschauschein oder einem separaten Protokoll) folgende Punkte detailliert auf:

  • Anlass und Auftraggeber: z.B. "Auf mündliche Anordnung von KHK Müller, Kriminalpolizei Musterstadt, zur Asservierung."
  • Datum und genaue Uhrzeit der Entnahme.
  • Art und Anzahl der Flüssigkeiten: z.B. "1. Blut aus V. femoralis links, ca. 10 ml; 2. Urin mittels suprapubischer Blasenpunktion, ca. 20 ml."
  • Verbleib der Proben: z.B. "Beide Proben versiegelt und an KHK Müller übergeben."

Diese detaillierte Dokumentation begründet die mehrfache Abrechnung der GOÄ 106 und wehrt Nachfragen von Kostenträgern effektiv ab.

Steigerung und Kombinationsmöglichkeiten

Steigerungsfähigkeit

Wie bereits erwähnt, ist eine Steigerung der GOÄ 106 nicht möglich. Der Gebührenordnungstext sieht hier explizit den 1-fachen Satz vor. Ein eventueller Mehraufwand durch erschwerte Bedingungen wird nicht über den Faktor, sondern über andere abrechenbare Leistungen (z.B. Zuschläge für Nacht- oder Feiertagsarbeit) abgebildet.

Typische und sinnvolle Kombinationen

  • GOÄ 100 / 101: Die häufigste und wichtigste Kombination ist die mit der Leichenschau (GOÄ 100) oder der vorläufigen Leichenschau (GOÄ 101). Die GOÄ 106 ist als Zusatzleistung konzipiert.
  • GOÄ 50-56: Das Wegegeld bei einem Hausbesuch ist je nach Entfernung zusätzlich abrechenbar.
  • Zuschläge E-H: Erfolgt die Leistung zu Unzeiten (nachts, an Wochenenden oder Feiertagen), können die entsprechenden Zuschläge angesetzt werden. Diese beziehen sich jedoch in der Regel auf die Leichenschau als zugrundeliegende Leistung.

Abrechnungsausschlüsse

Neben der GOÄ 106 sind folgende Ziffern für denselben Zweck nicht abrechnungsfähig:

  • GOÄ 250 / 251: Blutentnahme aus Vene oder Arterie.
  • Leistungen aus Abschnitt C.III: z.B. Punktionen von Gelenken oder Organen.
  • Leistungen aus Abschnitt L: z.B. Punktionen zur Liquorgewinnung.

Die GOÄ 106 hat als spezifischere Norm Vorrang vor diesen allgemeinen Ziffern, wenn die Leistung bei einem Toten erbracht wird.

Häufig gestellte Fragen

Ich musste Blut und Urin entnehmen. Kann ich die GOÄ 106 dann zweimal abrechnen?

Ja, das ist nach herrschender Kommentarlage korrekt und so vorgesehen. Die Leistungslegende der GOÄ 106 bezieht sich auf die Entnahme einer Körperflüssigkeit. Wenn Sie verschiedene Arten von Körperflüssigkeiten entnehmen, wie in Ihrem Fall Blut und Urin, können Sie die Ziffer für jede einzelne Entnahme ansetzen. In der Rechnung sollte dies klar ersichtlich sein, zum Beispiel durch die Angabe „2 x GOÄ 106“ mit einer kurzen Erläuterung in der Sachdarstellung, z.B. „Entnahme von Blut und Urin zur toxikologischen Untersuchung“. Eine gute Dokumentation ist hierbei essenziell.

Die Entnahme war nachts und unter schwierigen Bedingungen am Unfallort. Darf ich die GOÄ 106 mit dem 2,3-fachen Satz abrechnen?

Nein, eine Steigerung des Faktors ist bei der GOÄ 106 explizit nicht möglich. Es handelt sich um eine Leistung, die immer nur zum 1-fachen Satz abgerechnet werden darf. Der Mehraufwand durch die Uhrzeit oder besondere Umstände wird auf andere Weise honoriert. So können Sie die Zuschläge für Arbeit zu besonderen Zeiten (Zuschläge E-H nach GOÄ) in Kombination mit der Leichenschau (GOÄ 100) sowie das entsprechende Wegegeld (GOÄ 50 ff.) abrechnen. Der Aufwand für die Entnahme selbst ist jedoch mit dem einfachen Satz der GOÄ 106 pauschal abgegolten.

Welche Ziffer nutze ich für die eigentliche Punktion, z.B. der Blase, um den Urin zu gewinnen?

Sie verwenden hierfür keine separate Ziffer. Die GOÄ 106 ist eine sogenannte Komplexleistung. Das bedeutet, der Leistungsinhalt „Entnahme“ schließt alle dafür notwendigen Einzelschritte, wie die Desinfektion und die Punktion selbst, mit ein. Die zusätzliche Abrechnung einer Punktionsziffer (z.B. aus dem Abschnitt C.III der GOÄ) neben der GOÄ 106 für dieselbe Maßnahme ist nicht zulässig und würde von den Kostenträgern mit hoher Wahrscheinlichkeit gestrichen werden. Die GOÄ 106 deckt den gesamten Vorgang der Flüssigkeitsgewinnung ab.

Muss die Entnahme nach GOÄ 106 immer im Rahmen einer von mir durchgeführten Leichenschau nach GOÄ 100/101 stattfinden?

In der Praxis ist das der häufigste Fall, aber es ist nicht zwingend erforderlich. Die GOÄ 106 kann auch als alleinige Leistung abgerechnet werden, wenn Sie beispielsweise ausschließlich mit der Entnahme von Körperflüssigkeiten beauftragt werden, während ein anderer Kollege bereits die Leichenschau durchgeführt hat. Dies kann vorkommen, wenn die Staatsanwaltschaft oder Polizei zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Asservierung anordnet. Wichtig ist allein der Leistungsinhalt: die Entnahme einer Körperflüssigkeit bei einem Toten. Die Kombination mit der GOÄ 100 ist typisch, aber keine zwingende Abrechnungsvoraussetzung.

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