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Gebührenordnung für Ärtze (GOÄ)

GOÄ 107: Bulbusentnahme bei einem Toten (ab 1.1.2020)

16.12.2025
|
6
Minuten
Autor(en):
Niklas Tyler
Co-Founder | Doctario
Leander Löw
Co-Founder | Doctario
Samuel Pemsel
Co-Founder | Doctario

Zusammenfassung

Abschnitt:
B
  
Einfachsatz:
1
14.57
Regelhöchstsatz:
2.3
33.52
Höchstsatz:
3.5
51.00
Ausschlüsse:
108, 1339, 1346, Kapitel L

Offizielle Beschreibung nach GOÄ

Die GOÄ-Ziffer 107 beschreibt die Bulbusentnahme bei einem Toten. Diese Leistung wurde mit der GOÄ-Novelle zum 01.01.2020 neu in die Gebührenordnung aufgenommen und findet sich im Abschnitt B (Grundleistungen und allgemeine Leistungen).

Die Leistungslegende ist kurz und präzise, lässt aber in der praktischen Anwendung Fragen offen, die durch Kommentierungen geklärt werden. Die Ziffer ist eine postmortale Leistung, die in der Regel im Kontext der Organspende (insbesondere Hornhauttransplantation) oder zu pathologischen bzw. rechtsmedizinischen Untersuchungszwecken durchgeführt wird.

Analyse der Leistungslegende

  • Bulbusentnahme: Dies bezeichnet die vollständige chirurgische Entfernung des Augapfels (Bulbus oculi) aus der Augenhöhle (Orbita).
  • bei einem Toten: Die Leistung ist ausschließlich nach dem festgestellten Tod des Patienten durchführbar und abrechenbar. Sie ist klar von operativen Eingriffen am lebenden Patienten (z.B. nach den Nrn. 1370 oder 1371) abzugrenzen.

Ein zentraler Punkt für die korrekte Abrechnung ergibt sich aus der Formulierung im Singular. Die Kommentarliteratur leitet daraus eine wichtige Konsequenz für die Praxis ab:

„Die Nr. 107 ist zweimal abrechenbar, wenn beide Augäpfel entnommen werden. Da in der Leistungsbeschreibung die Einzahlformulierung ‚Bulbus‘ und nicht der Plural ‚Bulbi‘ verwendet wird, ist die zweifache Abrechnung gerechtfertigt.“

Diese Auslegung ist nach herrschender Auffassung etabliert und wird von den Kostenträgern in der Regel anerkannt, sofern die beidseitige Entnahme medizinisch indiziert und korrekt dokumentiert wurde.

Die GOÄ 107 im Praxisalltag: Anwendung und Fallstricke

Obwohl die Bulbusentnahme bei einem Verstorbenen keine alltägliche Leistung in jeder Praxis ist, stellt sie für die durchführenden Ärzte – meist aus der Augenheilkunde, Chirurgie oder Pathologie – eine abrechnungstechnisch anspruchsvolle Aufgabe dar. Eine präzise Abrechnung und Dokumentation sind hier entscheidend, um Kürzungen zu vermeiden.

Praxisbeispiele für die Anwendung der GOÄ 107

In diesen Szenarien kommt die Ziffer 107 typischerweise zum Ansatz:

  • Hornhautspende im Krankenhaus: Ein Patient verstirbt auf der Intensivstation. Nach Zustimmung zur Organspende wird ein externer, speziell geschulter Arzt (oft ein Augenarzt oder Chirurg im Auftrag einer Gewebebank) zur Bulbusentnahme angefordert. Der Arzt führt die Entnahme beider Augen durch und rechnet 2x die GOÄ 107 ab, gegebenenfalls zuzüglich Wegegeld (GOÄ §§ 7, 8).

  • Rechtsmedizinische Untersuchung: Im Rahmen einer Obduktion ordnet die Staatsanwaltschaft die Entnahme der Augäpfel zur Untersuchung auf mögliche Einblutungen oder Verletzungen an. Der Rechtsmediziner oder ein hinzugezogener Spezialist entnimmt einen oder beide Bulbi und rechnet die GOÄ 107 entsprechend (1x oder 2x) ab.

  • Pathologische Diagnostik: Bei einem Verstorbenen mit einer bekannten, aber unklaren Augenerkrankung (z.B. ein Tumor) kann postmortal eine Bulbusentnahme zur histologischen Aufarbeitung erfolgen, um die genaue Diagnose zu sichern.

Häufige Fehler und wie Sie sie vermeiden

Die Abrechnung der GOÄ 107 birgt einige Tücken, die oft zu Beanstandungen durch private Krankenversicherungen oder Beihilfestellen führen. Der häufigste und gravierendste Fehler betrifft den Steigerungsfaktor.

Achtung – Fester Gebührensatz: Für die GOÄ-Ziffer 107 gilt ausschließlich der 1-fache Satz. Eine Steigerung über den einfachen Satz hinaus ist unter keinen Umständen zulässig, auch nicht bei besonderen Schwierigkeiten. Dies ist eine verbindliche Vorgabe der Gebührenordnung. Jede Anwendung eines höheren Faktors führt unweigerlich zur Kürzung auf den 1-fachen Satz.

Weitere praxisrelevante Fehlerquellen sind:

  • Einmaliger Ansatz bei beidseitiger Entnahme: Wird die Entnahme beider Augen durchgeführt, muss die Ziffer 107 auch zweimal angesetzt werden. Ein nur einmaliger Ansatz führt zu Honorarverlusten.

  • Falsche Kombinationen: Die Abrechnung neben operativen Ziffern für die Enukleation am Lebenden (z.B. GOÄ 1370, 1371) ist ausgeschlossen. Die GOÄ 107 ist eine spezifische Leistung für Verstorbene.

Praxisbewährter Hinweis zur Dokumentation

Eine lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation ist der Schlüssel zu einer erstattungsfähigen Abrechnung. Sie sollte mindestens die folgenden Punkte enthalten:

  • Datum und Uhrzeit der Leistungserbringung.

  • Anlass und Indikation für die Entnahme (z.B. „Anforderung durch Gewebebank [Name] zur Hornhautspende“).

  • Durchführung: Explizite Angabe, ob einseitig (rechts/links) oder beidseitig entnommen wurde (z.B. „Entnahme des rechten und linken Bulbus oculi“).

  • Übergabe: Vermerk über die ordnungsgemäße Übergabe des Gewebes (z.B. „Übergabe an Kurier von [Organisation]“).

Steigerung und Kombinationsmöglichkeiten

Steigerungsfähigkeit

Wie bereits betont, ist die GOÄ 107 nicht steigerungsfähig. Der Gebührenrahmen ist auf den 1-fachen Satz festgelegt. Dies ist eine Besonderheit, die für einige technische oder pauschalierte Leistungen in der GOÄ gilt und von der allgemeinen Regel des § 5 GOÄ abweicht.

Typische und zulässige Kombinationen

Die GOÄ 107 kann und wird in der Praxis häufig mit anderen Ziffern kombiniert:

  • GOÄ 100 oder 101 (Leichenschau): Die Durchführung der Leichenschau ist eine separate Leistung. Wird sie vom selben Arzt erbracht, ist sie neben der GOÄ 107 abrechenbar.

  • GOÄ §§ 7, 8 (Wegegeld, Reiseentschädigung): Muss der Arzt zum Ort des Verstorbenen fahren, können die entsprechenden Entschädigungen nach den Paragrafen der GOÄ angesetzt werden.

  • GOÄ 70 (Kurzer Brief): Ein Bericht an die anfordernde Stelle (z.B. Gewebebank) kann unter Umständen zusätzlich berechnungsfähig sein.

Abrechnungsausschlüsse

Die GOÄ definiert klare Ausschlüsse. Neben der GOÄ 107 sind folgende Leistungen nicht im selben Behandlungsfall abrechenbar:

  • GOÄ 108: Entnahme von Organen oder größeren Organ- oder Gewebeteilen aus einer Leiche. Die GOÄ 107 ist die spezifischere Ziffer für den Augapfel.

  • GOÄ 1339, 1346 sowie das gesamte Kapitel L: Diese Ziffern beziehen sich auf operative Eingriffe am Auge bei lebenden Patienten und sind daher systembedingt ausgeschlossen.

Häufig gestellte Fragen

Darf ich die GOÄ 107 wirklich nur mit dem 1-fachen Satz abrechnen, auch wenn der Aufwand besonders hoch war?

Ja, diese Regel ist absolut und ohne Ausnahme. Die GOÄ-Ziffer 107 ist eine sogenannte „Festbetragsziffer“, bei der der Steigerungsfaktor nicht zur Anwendung kommt. Der Verordnungsgeber hat hier einen festen Betrag vorgesehen, der den durchschnittlichen Aufwand abbilden soll. Ein eventueller Mehraufwand, der beispielsweise durch eine lange Anfahrt entsteht, muss über andere Gebührenpositionen wie das Wegegeld (GOÄ § 8) oder eine Reiseentschädigung (GOÄ § 9) geltend gemacht werden, nicht aber durch eine Steigerung der Ziffer 107 selbst. Jeder Versuch einer Steigerung wird von Kostenträgern konsequent auf den 1-fachen Satz gekürzt.

Ich habe beide Augen entnommen. Wie stelle ich das auf der Rechnung korrekt dar, um Rückfragen zu vermeiden?

Für eine revisionssichere Abrechnung bei beidseitiger Entnahme haben sich zwei Methoden bewährt. Die sicherste Methode ist der zweizeilige Ansatz auf der Rechnung:

  • Zeile 1: 1x GOÄ 107, Begründung: „Bulbusentnahme rechts“
  • Zeile 2: 1x GOÄ 107, Begründung: „Bulbusentnahme links“

Alternativ können Sie die Ziffer auch in einer Zeile mit der Anzahl „2“ abrechnen. Eine kurze Begründung wie „beidseitige Bulbusentnahme zur Hornhautspende“ ist hier ebenfalls sehr empfehlenswert. Der explizite, zweizeilige Ansatz ist jedoch oft klarer für die Prüfstellen und minimiert das Risiko von Nachfragen.

Kann ich neben der GOÄ 107 auch die Leichenschau nach GOÄ 100 abrechnen, wenn ich beides durchführe?

Ja, die Kombination der GOÄ 107 mit der Leichenschau (GOÄ 100 für die vorläufige oder GOÄ 101 für die eingehende Leichenschau) ist zulässig und in der Praxis häufig. Es handelt sich um zwei voneinander unabhängige Leistungen mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Die Leichenschau dient der Feststellung des Todes, der Todesursache und der Todesart. Die Bulbusentnahme ist ein anschließender, separater Eingriff. Wichtig ist, dass beide Leistungen vollständig und mit den jeweils erforderlichen Dokumentationsschritten erbracht wurden. Die Uhrzeiten der beiden Leistungen sollten in der Dokumentation klar voneinander getrennt sein.

Warum ist die GOÄ 107 nicht neben operativen Ziffern wie GOÄ 1370 (Enukleation) abrechenbar?

Der Ausschluss beruht auf einer fundamentalen Unterscheidung in der GOÄ: Leistungen an Lebenden versus Leistungen an Verstorbenen. Die Ziffern des Kapitels L (Operative Leistungen), wie die GOÄ 1370 (Enukleation des Augapfels), beschreiben chirurgische Eingriffe an einem lebenden Patienten. Diese umfassen Aspekte wie Anästhesie, aseptische Bedingungen im OP, postoperative Versorgung und ein völlig anderes Risikoprofil. Die GOÄ 107 hingegen ist explizit als postmortale Leistung definiert. Sie ist im Abschnitt B (Grundleistungen) und nicht bei den operativen Leistungen verortet, was diesen Unterschied verdeutlicht. Eine gemeinsame Abrechnung ist daher systemisch und logisch ausgeschlossen.

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