Die GOÄ-Ziffer 1124 beschreibt die „Plastische Operation bei gänzlichem Fehlen der Scheide“. Diese Ziffer ist für einen hochkomplexen und seltenen chirurgischen Eingriff vorgesehen, dessen Ziel die Schaffung einer Neovagina ist. Sie kommt ausschließlich dann zur Anwendung, wenn eine Vagina von Geburt an nicht angelegt ist (vaginale Aplasie) oder nach radikalen operativen Eingriffen bzw. schweren Verletzungen vollständig fehlt.
Die Leistungslegende lässt sich in ihre wesentlichen Bestandteile zerlegen:
Die Ziffer 1124 ist im Abschnitt H der GOÄ (Gynäkologie, Geburtshilfe) verortet, gehört jedoch zu den nicht spezifisch untergeordneten Leistungen. Ein zentraler Punkt bei der Abrechnung dieser Ziffer ist eine Besonderheit bezüglich des Steigerungsfaktors, die für die Abrechnungspraxis von höchster Relevanz ist.
Für alle Kostenträger gilt bei dieser Leistung (GOÄ Nr. 1124) der 1-fache Satz!
Diese Festlegung bedeutet, dass im Gegensatz zu den meisten anderen GOÄ-Leistungen keine Steigerung über den einfachen Satz hinaus möglich ist, unabhängig von der Schwierigkeit oder dem Zeitaufwand des Eingriffs. Die hohe Punktzahl der Ziffer soll diesen Umstand bereits kompensieren. Zudem sind bestimmte, thematisch verwandte Leistungen explizit von der gemeinsamen Abrechnung ausgeschlossen.
Die plastische Operation zur Schaffung einer Neovagina nach GOÄ 1124 ist ein seltener, aber für die betroffenen Patientinnen lebensverändernder Eingriff. Eine revisionssichere Abrechnung erfordert hier besonderes Augenmerk auf die korrekte Indikationsstellung und die Beachtung der spezifischen Abrechnungsregeln.
Die Abrechnung der Ziffer 1124 ist nach herrschender Kommentarlage an klar definierte klinische Szenarien gebunden:
Der häufigste und schwerwiegendste Fehler bei der Abrechnung der GOÄ 1124 ist der Versuch, einen Steigerungsfaktor über den 1,0-fachen Satz hinaus anzuwenden. Dies führt unweigerlich zu Beanstandungen durch Kostenträger. Ebenso kritisch ist die Anwendung der Ziffer bei unzutreffender Indikation, beispielsweise bei der Korrektur einer Scheidenenge statt einer Aplasie.
Achtung – Abrechnungsausschluss: Neben der Ziffer 1124 sind die Ziffern GOÄ 1123 (Plastische Operation zur Erweiterung der Scheide) und GOÄ 1123a (Plastische Operation zur Wiederherstellung der Scheide bei narbiger Verengerung) im selben Behandlungsfall nicht abrechnungsfähig. Die Leistungslegenden schließen sich logisch aus: Eine Scheide kann nicht gleichzeitig gänzlich fehlen und lediglich erweitert oder wiederhergestellt werden.
Eine lückenlose und präzise Dokumentation ist der Schlüssel zur Vermeidung von Rückfragen. Der OP-Bericht und die Patientenakte müssen die Indikation zweifelsfrei belegen.
Praxisbewährter Dokumentationshinweis: Führen Sie die Diagnose „Vaginale Aplasie“ oder „Zustand nach Vaginektomie“ explizit in der Akte auf. Der Operationsbericht sollte das angewandte Verfahren detailliert beschreiben (z.B. „Anlage einer Neovagina nach der Methode von McIndoe mit Spalthauttransplantat vom Oberschenkel“ oder „Sigmoidvaginoplastik“).
Beispiel für einen Akteneintrag zur Indikationsstellung:
Datum: 15.05.2023
Diagnose: Vaginale Aplasie bei M.-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (ICD Q52.0)
Anlass: Wunsch der Patientin nach Herstellung der Kohabitationsfähigkeit.
Ergebnis der Voruntersuchung: Sonographisch und per MRT bestätigtes Fehlen von Uterus und Vagina bei vorhandenen Ovarien.
Nächster Schritt: Planung der operativen Anlage einer Neovagina nach Methode [z.B. McIndoe]. Patientin umfassend über Verfahren, Risiken und Alternativen aufgeklärt.
Nein. Die GOÄ 1124 ist eine der wenigen Leistungen der Gebührenordnung, für die ein fester 1,0-facher Satz gilt. Eine Begründung für einen höheren Faktor ist nicht zulässig und wird von Kostenträgern grundsätzlich abgelehnt. Die hohe Grundbewertung der Ziffer trägt der Komplexität des Eingriffs bereits Rechnung.
Da die GOÄ 1124 nur die plastische Operation selbst beschreibt, können und müssen notwendige Begleitleistungen zusätzlich abgerechnet werden. Nach Kommentarlage sind folgende Kombinationen in der Praxis häufig und zulässig:
Die GOÄ 1124 gehört zu einer kleinen Gruppe von hoch bewerteten Leistungen, für die der Verordnungsgeber bewusst einen festen Gebührensatz (den 1,0-fachen Satz) festgelegt hat. Die Begründung dafür liegt in der Kalkulation: Die außergewöhnliche Komplexität und der hohe Aufwand des Eingriffs sind bereits in der sehr hohen Punktzahl der Ziffer eingepreist. Damit soll eine stabile und vorhersehbare Vergütung für diesen seltenen Eingriff gewährleistet werden. Der Versuch einer Steigerung, selbst mit ausführlicher Begründung, ist daher nicht statthaft und führt regelmäßig zur Ablehnung durch die Kostenträger.
Die Leistungslegende der GOÄ 1124 ist verfahrensoffen formuliert. Das bedeutet, sie ist nicht an eine bestimmte chirurgische Technik gebunden. Entscheidend für die Abrechenbarkeit ist das Ziel und das Ergebnis der Operation: die Schaffung einer Neovagina bei komplettem Fehlen. In der Praxis fallen darunter verschiedene etablierte Verfahren wie:
Die Wahl des Verfahrens richtet sich nach der individuellen Anatomie und der klinischen Situation, die Abrechnung erfolgt jedoch stets über die GOÄ 1124.
Ja, das ist nach herrschender Auffassung korrekt und notwendig. Die GOÄ 1124 umfasst die plastische Operation zur Formung der Neovagina am Zielort. Die Gewinnung des dafür benötigten körpereigenen Materials stellt eine separate, eigenständige chirurgische Leistung dar. Wird beispielsweise die McIndoe-Technik angewandt, ist die Entnahme des Spalthauttransplantats zusätzlich mit der GOÄ 2386 berechnungsfähig. Bei einer Sigmoidvaginoplastik sind die entsprechenden Ziffern für die Darmsegmententnahme (z.B. GOÄ 1345, 1346) neben der GOÄ 1124 anzusetzen. Eine sorgfältige Dokumentation beider Eingriffe im OP-Bericht ist hierbei essenziell.
Der Unterschied liegt in der fundamental verschiedenen Ausgangssituation (Indikation). Die GOÄ 1124 ist für das „gänzliche Fehlen der Scheide“ (Aplasie) vorgesehen. Es wird also etwas komplett Neues geschaffen. Die GOÄ 1123a hingegen beschreibt die „Wiederherstellung der Scheide bei narbiger Verengerung“ (Stenose). Hier ist eine Scheide vorhanden, aber ihre Funktion ist durch Narben beeinträchtigt. Die Operation zielt auf die Korrektur und Wiederherstellung der Durchgängigkeit ab. Da eine Scheide nicht gleichzeitig gänzlich fehlen und nur narbig verengt sein kann, schließen sich diese beiden Zustände logisch aus. Daher ist eine gemeinsame Abrechnung im selben Behandlungsfall nicht möglich.