Die GOÄ-Ziffer 239 beschreibt die Anlage eines Gipsverbandes, der aufgrund seiner Größe und Komplexität über die einfache Ruhigstellung einer Extremität hinausgeht. Er umfasst definitionsgemäß die Immobilisation eines großen Gelenkes – entweder des Schulter- oder des Beckengürtels.
Die Leistungslegende lautet: „Gipsverband für den Arm mit Schulter oder für das Bein mit Beckengürtel“.
Diese Ziffer ist für die aufwendigsten Gipsverbände reserviert. Die korrekte Anwendung erfordert eine genaue Abgrenzung zu kleineren Verbänden (z.B. GOÄ 237). Entscheidend für die Abrechnung der GOÄ 239 sind folgende Kriterien:
Die Kommentarlage zu dieser Ziffer präzisiert wichtige Aspekte, die für eine revisionssichere Abrechnung unerlässlich sind:
Die Leistung nach Nr. 239 kann nicht als Wundverband abgerechnet werden. An demselben Tag sind neben der Leistung nach Nr. 239 erforderliche Veränderungen des Gipsverbandes, wie Fensterung, Spaltung, Gehbügel, Abrollsohle nicht berechnungsfähig. Eine ggf. vor dem Gipsverband erforderliche Abdeckung der Haut (Mullbinden, Trikotschlauch) oder Polsterung ist nicht gesondert abrechenbar.
Dies bedeutet, dass alle unmittelbar zur Anlage gehörenden vorbereitenden und nachbereitenden Maßnahmen am selben Tag als integraler Bestandteil der Leistung gelten und nicht zusätzlich berechnet werden dürfen. Die Ziffer stellt eine umfassende Pauschale für die Erstellung des komplexen Verbandes dar.
Die Anlage eines Gipsverbandes, der die Schulter oder den Beckengürtel miteinbezieht, gehört zu den anspruchsvolleren konservativen Behandlungen. Die korrekte Abrechnung nach GOÄ 239 ist dabei ebenso wichtig wie die medizinisch einwandfreie Anlage. Dieser Leitfaden zeigt Ihnen, wie Sie die Ziffer prüfsicher anwenden.
Gerade bei hoch bewerteten Ziffern wie der GOÄ 239 prüfen Kostenträger die Abrechnung genau. Die häufigsten Fehlerquellen sind die Steigerung, die Kombination mit anderen Ziffern und die separate Berechnung von Material.
Achtung – Fester Gebührensatz: Die GOÄ 239 ist eine sogenannte „technische Leistung“ mit einem festen Gebührenrahmen. Sie darf ausschließlich mit dem 1,0-fachen Satz abgerechnet werden. Eine Steigerung über den einfachen Satz hinaus ist nicht zulässig und führt unweigerlich zu Kürzungen.
Ein weiterer häufiger Fehler ist die zusätzliche Abrechnung von Leistungen, die bereits Bestandteil der Ziffer 239 sind. Dazu gehören am Tag der Anlage:
Eine lückenlose und präzise Dokumentation ist Ihr bester Schutz vor Rückfragen und Kürzungen. Sie muss die medizinische Notwendigkeit für diesen speziellen, großen Verband klar belegen.
Praxisbewährter Dokumentationshinweis: Ihre Dokumentation sollte immer die Diagnose, die Lokalisation und die Art des Verbandes explizit benennen, um die Abgrenzung zu kleineren Verbänden zu rechtfertigen.
Beispiel-Dokumentation:
Datum: 15.08.2023
Diagnose: Dislozierte subkapitale Humerusfraktur rechts (S42.21 G)
Therapie: Nach geschlossener Reposition Anlage eines Gipsverbandes für Arm mit Schulter (Desault-Typ) zur Immobilisation in Adduktions- und Innenrotationsstellung. pDMS post interventionem intakt. Röntgenkontrolle i.A.
Nächster Schritt: Klinische und radiologische Kontrolle in 7 Tagen.
Wie bereits erwähnt, ist die GOÄ 239 nicht steigerungsfähig. Die Gebührenordnung sieht hierfür ausschließlich den 1,0-fachen Satz vor. Der höhere Aufwand im Vergleich zu kleineren Gipsverbänden ist bereits in der höheren Punktzahl der Ziffer berücksichtigt.
Selbstverständlich können andere, eigenständige Leistungen neben der GOÄ 239 abgerechnet werden, sofern sie medizinisch indiziert sind. Typische Beispiele sind:
Neben der GOÄ 239 sind am selben Behandlungstag für dieselbe Körperregion folgende Ziffern ausgeschlossen:
Nicht berechnungsfähig neben GOÄ 239 sind: GOÄ 200, 208, 213, 230, 231, 232, 247, 3314, 3315.
Die Ausschlüsse sind logisch begründet: Die GOÄ 239 ist die umfassendste Verbandleistung in diesem Bereich und konsumiert kleinere, artverwandte Leistungen. Der Ausschluss der GOÄ 247 (Spaltung eines Gipsverbandes) gilt explizit nur für den Tag der Anlage.
Die GOÄ 239 gehört zu den sogenannten „technischen Leistungen“, bei denen der Verordnungsgeber einen festen Gebührensatz ohne Steigerungsmöglichkeit festgelegt hat. Der Gedanke dahinter ist, dass der durchschnittliche Aufwand bereits in der hohen Punktzahl der Ziffer eingepreist ist. Im Gegensatz zu ärztlichen „Sprechenden Leistungen“ (wie Beratung oder Untersuchung), bei denen der individuelle Zeitaufwand und die Schwierigkeit variieren können, wird bei der Anlage eines solchen Gipses von einem standardisierteren Aufwand ausgegangen. Eine Begründung für einen höheren Faktor ist daher laut Gebührenordnung nicht vorgesehen und würde von Kostenträgern konsequent gekürzt.
Die Abgrenzung ist klar definiert und entscheidend für die korrekte Abrechnung. Die GOÄ 237 (Großer Gipsverband) wird für Verbände am Rumpf oder an einer ganzen Extremität bis zu deren Endgelenk verwendet, jedoch ohne Immobilisation des Schulter- oder Beckengürtels. Beispiele sind ein Oberschenkelgips, der am Knie endet, oder ein Oberarmgips, der unterhalb der Schulter ansetzt. Die GOÄ 239 kommt hingegen nur dann zur Anwendung, wenn der Gipsverband gezielt das Schulter- oder Hüftgelenk (Becken) miteinbezieht und ruhigstellt. Ein Desault-Verband ist also immer GOÄ 239, ein einfacher Oberarmgips GOÄ 237.
Nein, das ist nach herrschender Kommentarlage nicht möglich. Die Allgemeinen Bestimmungen zum Abschnitt C der GOÄ sowie die spezifischen Anmerkungen zur Ziffer 239 stellen klar, dass Standard-Verbrauchsmaterialien wie Polsterung (Watte), Trikotschlauch oder Mullbinden als integraler Bestandteil der Leistung gelten. Sie sind mit der Gebühr für die Ziffer 239 abgegolten. Eine separate Berechnung als Auslagen nach § 10 GOÄ ist für diese Materialien ausgeschlossen. Nur besonders teure, nicht zum Standard gehörende Materialien könnten unter Umständen abrechenbar sein, dies bedarf aber einer genauen Einzelfallprüfung und ist bei Polstermaterialien in der Regel nicht gegeben.
Nein, die zusätzliche Abrechnung der GOÄ 247 (Spaltung eines Gipsverbandes) ist am selben Tag der Anlage explizit ausgeschlossen. Der Leistungsinhalt der GOÄ 239 umfasst die vollständige und fachgerechte Erstellung des Verbandes. Dazu gehören auch alle unmittelbar notwendigen Anpassungen, um eine sichere und adäquate Ruhigstellung zu gewährleisten. Eine sofortige Spaltung zur Druckentlastung wird als Teil dieses initialen Prozesses angesehen. Würden Sie den Gips jedoch an einem folgenden Tag aufgrund einer neu aufgetretenen medizinischen Indikation spalten müssen, wäre die GOÄ 247 als eigenständige Leistung abrechenbar.