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Gebührenordnung für Ärtze (GOÄ)

GOÄ 239: Gipsverband für Arm mit Schulter oder Bein mit Beckengürtel

17.12.2025
|
6
Minuten
Autor(en):
Niklas Tyler
Co-Founder | Doctario
Leander Löw
Co-Founder | Doctario
Samuel Pemsel
Co-Founder | Doctario

Zusammenfassung

Abschnitt:
C
  
Einfachsatz:
1
43.72
Regelhöchstsatz:
2.3
100.55
Höchstsatz:
3.5
153.00
Ausschlüsse:
200, 208, 213, 230, 231, 232, 247, 3314, 3315

Offizielle Beschreibung der GOÄ-Ziffer 239

Die GOÄ-Ziffer 239 beschreibt die Anlage eines Gipsverbandes, der aufgrund seiner Größe und Komplexität über die einfache Ruhigstellung einer Extremität hinausgeht. Er umfasst definitionsgemäß die Immobilisation eines großen Gelenkes – entweder des Schulter- oder des Beckengürtels.

Die Leistungslegende lautet: „Gipsverband für den Arm mit Schulter oder für das Bein mit Beckengürtel“.

Diese Ziffer ist für die aufwendigsten Gipsverbände reserviert. Die korrekte Anwendung erfordert eine genaue Abgrenzung zu kleineren Verbänden (z.B. GOÄ 237). Entscheidend für die Abrechnung der GOÄ 239 sind folgende Kriterien:

  • Gipsverband für den Arm mit Schulter: Der Verband muss nicht nur den Arm, sondern auch das Schultergelenk funktionell ruhigstellen. Typische Beispiele sind der Desault-Verband oder ein Schulter-Arm-Gips, der den Arm am Rumpf fixiert.
  • Gipsverband für das Bein mit Beckengürtel: Hierbei wird das Bein unter Einbeziehung des Beckens und somit des Hüftgelenks immobilisiert. Ein klassischer Becken-Bein-Gips fällt unter diese Definition.

Die Kommentarlage zu dieser Ziffer präzisiert wichtige Aspekte, die für eine revisionssichere Abrechnung unerlässlich sind:

Die Leistung nach Nr. 239 kann nicht als Wundverband abgerechnet werden. An demselben Tag sind neben der Leistung nach Nr. 239 erforderliche Veränderungen des Gipsverbandes, wie Fensterung, Spaltung, Gehbügel, Abrollsohle nicht berechnungsfähig. Eine ggf. vor dem Gipsverband erforderliche Abdeckung der Haut (Mullbinden, Trikotschlauch) oder Polsterung ist nicht gesondert abrechenbar.

Dies bedeutet, dass alle unmittelbar zur Anlage gehörenden vorbereitenden und nachbereitenden Maßnahmen am selben Tag als integraler Bestandteil der Leistung gelten und nicht zusätzlich berechnet werden dürfen. Die Ziffer stellt eine umfassende Pauschale für die Erstellung des komplexen Verbandes dar.

GOÄ 239 im Praxisalltag: Anwendung und Fallstricke

Die Anlage eines Gipsverbandes, der die Schulter oder den Beckengürtel miteinbezieht, gehört zu den anspruchsvolleren konservativen Behandlungen. Die korrekte Abrechnung nach GOÄ 239 ist dabei ebenso wichtig wie die medizinisch einwandfreie Anlage. Dieser Leitfaden zeigt Ihnen, wie Sie die Ziffer prüfsicher anwenden.

Typische Praxisbeispiele für die GOÄ 239

  • Szenario 1: Proximale Humerusfraktur: Ein Patient erleidet eine Fraktur am Oberarmkopf. Zur konservativen Therapie wird ein Gipsverband (z.B. Desault-Verband oder Thorax-Abduktionsgips) angelegt, der den Arm am Oberkörper fixiert und das Schultergelenk vollständig ruhigstellt.
  • Szenario 2: Schulterluxation: Nach einer erfolgreichen Reposition einer ausgekugelten Schulter wird zur Sicherung des Repositionsergebnisses und zur Schmerzlinderung ein immobilisierender Gipsverband angelegt, der das Gelenk in einer definierten Position hält.
  • Szenario 3: Becken-Bein-Gips bei Kindern: Bei einem Kind mit einer Femurschaftfraktur wird zur Sicherstellung der Heilung ein Gipsverband angelegt, der vom Fuß bis über das Becken reicht und so das Hüftgelenk auf der betroffenen Seite komplett immobilisiert.
  • Szenario 4: Postoperative Ruhigstellung: Nach einer operativen Versorgung einer komplexen Verletzung im Bereich des Hüftgelenks oder des Beckens wird zur postoperativen Sicherung ein Gipsverband mit Beckenbeteiligung angelegt.

Häufige Fehler und Abrechnungsausschlüsse

Gerade bei hoch bewerteten Ziffern wie der GOÄ 239 prüfen Kostenträger die Abrechnung genau. Die häufigsten Fehlerquellen sind die Steigerung, die Kombination mit anderen Ziffern und die separate Berechnung von Material.

Achtung – Fester Gebührensatz: Die GOÄ 239 ist eine sogenannte „technische Leistung“ mit einem festen Gebührenrahmen. Sie darf ausschließlich mit dem 1,0-fachen Satz abgerechnet werden. Eine Steigerung über den einfachen Satz hinaus ist nicht zulässig und führt unweigerlich zu Kürzungen.

Ein weiterer häufiger Fehler ist die zusätzliche Abrechnung von Leistungen, die bereits Bestandteil der Ziffer 239 sind. Dazu gehören am Tag der Anlage:

  • Materialien: Polsterwatte, Trikotschlauch oder Mullbinden zur Hautabdeckung sind mit der Gebühr abgegolten.
  • Initiale Anpassungen: Eine sofort notwendige Fensterung (z.B. zur Wundkontrolle) oder eine Spaltung des Gipses (z.B. zur Druckentlastung) sind am selben Tag nicht zusätzlich berechnungsfähig.
  • Kleinere Verbände: Die GOÄ 239 schließt die Abrechnung kleinerer Verbandziffern wie GOÄ 200 (Verband) oder anderer Gips- und Stützverbände (z.B. GOÄ 230, 232) an derselben Extremität aus.

Abrechnungsrelevante Hinweise und Dokumentation

Eine lückenlose und präzise Dokumentation ist Ihr bester Schutz vor Rückfragen und Kürzungen. Sie muss die medizinische Notwendigkeit für diesen speziellen, großen Verband klar belegen.

Praxisbewährter Dokumentationshinweis: Ihre Dokumentation sollte immer die Diagnose, die Lokalisation und die Art des Verbandes explizit benennen, um die Abgrenzung zu kleineren Verbänden zu rechtfertigen.

Beispiel-Dokumentation:
Datum: 15.08.2023
Diagnose: Dislozierte subkapitale Humerusfraktur rechts (S42.21 G)
Therapie: Nach geschlossener Reposition Anlage eines Gipsverbandes für Arm mit Schulter (Desault-Typ) zur Immobilisation in Adduktions- und Innenrotationsstellung. pDMS post interventionem intakt. Röntgenkontrolle i.A.
Nächster Schritt: Klinische und radiologische Kontrolle in 7 Tagen.

Steigerung und Kombinationen

Steigerungsfähigkeit

Wie bereits erwähnt, ist die GOÄ 239 nicht steigerungsfähig. Die Gebührenordnung sieht hierfür ausschließlich den 1,0-fachen Satz vor. Der höhere Aufwand im Vergleich zu kleineren Gipsverbänden ist bereits in der höheren Punktzahl der Ziffer berücksichtigt.

Sinnvolle und zulässige Kombinationen

Selbstverständlich können andere, eigenständige Leistungen neben der GOÄ 239 abgerechnet werden, sofern sie medizinisch indiziert sind. Typische Beispiele sind:

  • Beratungen und Untersuchungen: GOÄ 1, 3, 5, 7, 8 etc.
  • Röntgendiagnostik: z.B. GOÄ 5030 (Schulter) oder GOÄ 5060 (Beckenübersicht) zur Diagnosesicherung oder Kontrollaufnahme.
  • Repositionen: z.B. GOÄ 2700 (Reposition eines großen Gelenkes) oder entsprechende Ziffern für Frakturen.
  • Anästhesieleistungen: Falls die Anlage unter Narkose oder Sedierung erfolgt.

Abrechnungsausschlüsse

Neben der GOÄ 239 sind am selben Behandlungstag für dieselbe Körperregion folgende Ziffern ausgeschlossen:

Nicht berechnungsfähig neben GOÄ 239 sind: GOÄ 200, 208, 213, 230, 231, 232, 247, 3314, 3315.

Die Ausschlüsse sind logisch begründet: Die GOÄ 239 ist die umfassendste Verbandleistung in diesem Bereich und konsumiert kleinere, artverwandte Leistungen. Der Ausschluss der GOÄ 247 (Spaltung eines Gipsverbandes) gilt explizit nur für den Tag der Anlage.

Häufig gestellte Fragen

Warum darf ich die GOÄ 239 nur mit dem 1,0-fachen Satz abrechnen, obwohl der Aufwand erheblich ist?

Die GOÄ 239 gehört zu den sogenannten „technischen Leistungen“, bei denen der Verordnungsgeber einen festen Gebührensatz ohne Steigerungsmöglichkeit festgelegt hat. Der Gedanke dahinter ist, dass der durchschnittliche Aufwand bereits in der hohen Punktzahl der Ziffer eingepreist ist. Im Gegensatz zu ärztlichen „Sprechenden Leistungen“ (wie Beratung oder Untersuchung), bei denen der individuelle Zeitaufwand und die Schwierigkeit variieren können, wird bei der Anlage eines solchen Gipses von einem standardisierteren Aufwand ausgegangen. Eine Begründung für einen höheren Faktor ist daher laut Gebührenordnung nicht vorgesehen und würde von Kostenträgern konsequent gekürzt.

Was ist der genaue Unterschied zwischen GOÄ 237 und GOÄ 239? Wann nutze ich welche Ziffer?

Die Abgrenzung ist klar definiert und entscheidend für die korrekte Abrechnung. Die GOÄ 237 (Großer Gipsverband) wird für Verbände am Rumpf oder an einer ganzen Extremität bis zu deren Endgelenk verwendet, jedoch ohne Immobilisation des Schulter- oder Beckengürtels. Beispiele sind ein Oberschenkelgips, der am Knie endet, oder ein Oberarmgips, der unterhalb der Schulter ansetzt. Die GOÄ 239 kommt hingegen nur dann zur Anwendung, wenn der Gipsverband gezielt das Schulter- oder Hüftgelenk (Becken) miteinbezieht und ruhigstellt. Ein Desault-Verband ist also immer GOÄ 239, ein einfacher Oberarmgips GOÄ 237.

Kann ich die Polsterwatte und den Trikotschlauch unter dem Gips separat als Material nach § 10 GOÄ abrechnen?

Nein, das ist nach herrschender Kommentarlage nicht möglich. Die Allgemeinen Bestimmungen zum Abschnitt C der GOÄ sowie die spezifischen Anmerkungen zur Ziffer 239 stellen klar, dass Standard-Verbrauchsmaterialien wie Polsterung (Watte), Trikotschlauch oder Mullbinden als integraler Bestandteil der Leistung gelten. Sie sind mit der Gebühr für die Ziffer 239 abgegolten. Eine separate Berechnung als Auslagen nach § 10 GOÄ ist für diese Materialien ausgeschlossen. Nur besonders teure, nicht zum Standard gehörende Materialien könnten unter Umständen abrechenbar sein, dies bedarf aber einer genauen Einzelfallprüfung und ist bei Polstermaterialien in der Regel nicht gegeben.

Ich habe den Gips (GOÄ 239) angelegt und musste ihn am selben Tag wegen einer starken Schwellung spalten. Kann ich die Spaltung (GOÄ 247) zusätzlich abrechnen?

Nein, die zusätzliche Abrechnung der GOÄ 247 (Spaltung eines Gipsverbandes) ist am selben Tag der Anlage explizit ausgeschlossen. Der Leistungsinhalt der GOÄ 239 umfasst die vollständige und fachgerechte Erstellung des Verbandes. Dazu gehören auch alle unmittelbar notwendigen Anpassungen, um eine sichere und adäquate Ruhigstellung zu gewährleisten. Eine sofortige Spaltung zur Druckentlastung wird als Teil dieses initialen Prozesses angesehen. Würden Sie den Gips jedoch an einem folgenden Tag aufgrund einer neu aufgetretenen medizinischen Indikation spalten müssen, wäre die GOÄ 247 als eigenständige Leistung abrechenbar.

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