Die GOÄ-Ziffer 255 ist im Abschnitt C (Nicht zuordenbare Leistungen) der Gebührenordnung für Ärzte verortet und trägt die offizielle Leistungslegende: „Injektion, intraartikulär oder perineural“. Diese Ziffer beschreibt zwei spezifische Anwendungsorte für eine Injektion, die jedoch unter einer gemeinsamen Gebührennummer zusammengefasst werden.
Zur korrekten Anwendung ist eine präzise Aufschlüsselung der Leistungsbestandteile unerlässlich:
Für eine revisionssere Abrechnung ist die Abgrenzung zu anderen Leistungen, insbesondere den Punktionen, von entscheidender Bedeutung. Nach herrschender Kommentarlage gilt hierzu folgende Differenzierung:
„Wird nur eine Injektion in das Gelenk durchgeführt, so ist nur die Abrechnung der Nr. 255 möglich. Handelt es sich allerdings um eine Injektion, die im Zusammenhang mit einer zuvor durchgeführten Punktion, z. B. eines Ergusses, erfolgt, so kann die höher bewertete Nummer nach den Nrn. 300 - 302 berechnet werden. Eine Abrechnung der Nr. 255 ist dann nicht neben der Punktionsnummer möglich.“
Die GOÄ 255 ist somit die Ziffer der Wahl für die reine, primäre Injektionstherapie an Gelenken oder Nerven. Sobald die Maßnahme mit einer diagnostischen oder therapeutischen Flüssigkeitsentnahme aus dem Gelenk kombiniert wird, treten die Punktionsziffern an ihre Stelle.
Die intraartikuläre und perineurale Injektion nach GOÄ 255 gehört zum Standardrepertoire vieler Fachrichtungen, von der Orthopädie über die Allgemeinmedizin bis zur Schmerztherapie. Doch gerade bei dieser scheinbar einfachen Ziffer lauern Fallstricke, die zu Honorarkürzungen führen können. Mit den folgenden praxisbewährten Hinweisen stellen Sie Ihre Abrechnung auf ein sicheres Fundament.
Der häufigste Grund für Beanstandungen bei der GOÄ 255 ist die falsche Abgrenzung zur Gelenkpunktion. Die Regel ist eindeutig: Wenn Sie zuerst Flüssigkeit aus einem Gelenk entnehmen (z.B. einen Erguss punktieren) und danach in derselben Sitzung ein Medikament injizieren, ist die GOÄ 255 die falsche Ziffer!
Achtung, Abrechnungsfalle: Bei einer Punktion mit anschließender Injektion sind ausschließlich die Ziffern für die Punktion (GOÄ 300-302) abrechenbar. Diese beinhalten die nachfolgende Injektion bereits. Die GOÄ 255 darf hier nicht zusätzlich angesetzt werden. Eine Doppelabrechnung führt unweigerlich zur Streichung der Nr. 255.
Ein weiterer, oft übersehener Ausschluss betrifft Verbände. Obwohl nach einer Injektion oft ein Pflasterverband (GOÄ 200) oder sogar ein Kompressionsverband (GOÄ 204) angelegt wird, ist deren separate Berechnung neben der GOÄ 255 nicht statthaft. Die allgemeinen Bestimmungen vor dem Abschnitt C III der GOÄ schließen die Nebeneinanderberechnung explizit aus. Diese Leistungen gelten als im Zusammenhang mit der Injektion erbracht und sind mit dem Honorar der GOÄ 255 abgegolten.
Die GOÄ 255 ist eine ärztliche Leistung, die entsprechend den Kriterien des § 5 GOÄ gesteigert werden kann. Eine Abrechnung über dem 2,3-fachen Satz (Regelhöchstsatz) ist bei besonderem Aufwand möglich und sollte in der Rechnung kurz und nachvollziehbar begründet werden. Mögliche Gründe sind:
Die GOÄ 255 steht selten allein. In der Praxis wird sie häufig mit folgenden Ziffern kombiniert:
Eine lückenlose Dokumentation ist Ihr bester Schutz bei Rückfragen. Sie muss nicht lang sein, aber die medizinische Notwendigkeit belegen.
Mini-Dokumentationsbeispiel:
Datum: 15.11.2023
Diagnose: Aktivierte Gonarthrose Knie links.
Leistung: Nach Aufklärung und Desinfektion intraartikuläre Injektion von 2ml Triamcinolon in das linke Kniegelenk unter sterilen Kautelen. Indikation: Schmerzreduktion, Entzündungshemmung. Patient tolerierte die Prozedur gut. Komplikationslos.
Weiteres Vorgehen: Wiedervorstellung bei Bedarf.
Der entscheidende Unterschied liegt in der Reihenfolge und im Zweck des Eingriffs. Die GOÄ 255 wird für eine reine, primäre Injektion in ein Gelenk oder an einen Nerv angesetzt. Es wird also ausschließlich eine Substanz verabreicht.
Die GOÄ-Ziffern 300-302 (Punktion eines Gelenks) kommen hingegen dann zur Anwendung, wenn vor der Injektion eine Punktion zur Entnahme von Körperflüssigkeit (z.B. Gelenkerguss) stattfindet. Die anschließende Injektion in derselben Sitzung ist bereits Bestandteil der Leistungslegende der Punktionsziffern und darf nicht zusätzlich mit der GOÄ 255 berechnet werden. Merksatz: „Erst Punktion, dann Injektion = Abrechnung nach Nr. 300-302.“
Ja, die Leistungslegende der GOÄ 255 differenziert nicht nach der Größe des Gelenks. Die Ziffer ist sowohl für eine Injektion in das Kniegelenk als auch für eine Injektion in ein Finger- oder Zehengelenk anwendbar. Jedoch kann der unterschiedliche Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand bei der Abrechnung berücksichtigt werden. Eine Injektion in ein kleines, schwer zugängliches Gelenk kann beispielsweise eine Steigerung des Gebührensatzes über den Regelhöchstsatz (2,3-fach) mit einer entsprechenden Begründung rechtfertigen.
Eine Steigerung über den Regelhöchstsatz hinaus erfordert eine besondere Schwierigkeit, einen erhöhten Zeitaufwand oder besondere Umstände bei der Ausführung der Leistung. Ihre Begründung in der Rechnung muss für den Kostenträger nachvollziehbar sein. Praxisbewährte Begründungen sind zum Beispiel:
Nein, nach herrschender Auffassung und Kommentarlage ist dies nicht möglich. Die Allgemeinen Bestimmungen vor dem Abschnitt C III der GOÄ, in dem die Ziffer 255 verortet ist, schließen eine gemeinsame Abrechnung mit den Verbandsziffern des Abschnitts C II (u.a. GOÄ 200 und 204) aus. Das Anlegen eines einfachen Wund- oder auch eines Kompressionsverbandes nach der Injektion gilt als Bestandteil der Leistung nach GOÄ 255 und ist mit deren Honorar abgegolten. Ein separater Ansatz würde von den Kostenträgern in der Regel gestrichen werden.