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Berufsrechtliche Fallstricke bei der Privatabrechnung: Was das VG Berlin zur „kreativen“ GOÄ-Nutzung klarstellt

Zuletzt aktualisiert am
11.11.2025

Inhaltsverzeichnis:

Das Urteil in KürzeKernaussageDatenWorum ging es?Was hat das Gericht entschieden?PraxisrelevanzDo's & Don'tsDoctario's KommentarFAQ

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Das Urteil in Kürze

Das Verwaltungsgericht Berlin verhängt gegen einen Arzt eine Geldbuße von 3.000 Euro, weil dieser wiederholt privatärztliche Leistungen falsch nach GOÄ abgerechnet hat. Teilweise wurden:

  • Leistungen abgerechnet, die so nicht erbracht wurden,
  • falsche GOÄ-Ziffern verwendet,
  • Analogleistungen ohne Kennzeichnung und ohne ausreichende Grundlage abgerechnet,
  • nicht erstattungsfähige Reisekosten (Flug) berechnet.

Das Gericht wertet dieses Verhalten als Berufspflichtverletzung gegen die Pflicht zur Abrechnung „angemessener Honorarforderungen“ nach § 12 Abs. 1 Berufsordnung (BO) und bestätigt:
GOÄ-konforme, transparente Abrechnung ist nicht nur zivilrechtlich, sondern auch berufsrechtlich verpflichtend.

Kernaussage

Wer bewusst unpassende GOÄ-Ziffern verwendet, Leistungen abrechnet, die so nicht erbracht wurden, oder Analogabrechnungen ohne Kennzeichnung nutzt, verstößt gegen die Berufspflicht zur angemessenen Honorarforderung.Schwere Verstöße (z. B. Abrechnung nicht erbrachter oder nicht abrechnungsfähiger Leistungen) können berufsgerichtliche Maßnahmen wie eine Geldbuße nach sich ziehen – unabhängig von zivilrechtlichen Streitigkeiten mit Patienten oder Kostenträgern.

Daten

Gericht:
Verwaltungsgericht Berlin
Aktenzeichen:
90 K 4.18 T
Entscheidungsdatum:
February 12, 2019
Streitwert:
3000
Quelle:
https://openjur.de/u/2312906.html

Worum ging es?

Ein Arzt mit privatärztlicher Praxis im Bereich Präventivmedizin stand im Fokus der Ärztekammer, nachdem sich mehrere Patienten über seine Rechnungen beschwert hatten.

Die Einleitungsbehörde warf ihm im Kern vor:

  • Privatärztliche Leistungen abgerechnet zu haben,
    • die er gar nicht erbracht hatte oder
    • die unter den abgerechneten GOÄ-Ziffern nicht abrechenbar waren,
  • GOÄ-Ziffern analog genutzt zu haben, ohne dies als Analogabrechnung kenntlich zu machen,
  • unzulässige Reisekosten (Flug) als „Besuch“ nach GOÄ geltend gemacht zu haben,
  • Behandlungen unzureichend zu dokumentieren.

Parallel lief ein Strafverfahren, das wegen geringer Schuld gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Berufsrechtlich verfolgte die Kammer den Fall weiter. Am Ende stand eine berufsgerichtliche Entscheidung mit einer Geldbuße von 3.000 Euro.

Was hat das Gericht entschieden?

Das VG Berlin ordnet das Verhalten als einheitlich zu würdigendes Berufsvergehen ein und konkretisiert die Maßstäbe:

1. Pflicht zur angemessenen Honorarforderung (§ 12 BO)

  • Ärztliche Honorare müssen „angemessen“ sein; Grundlage ist die GOÄ (§ 12 Abs. 1 BO, § 1 GOÄ).
  • Ein Arzt darf bei der Abrechnung die GOÄ-Tatbestände und Gebührensätze nicht „kreativ“ dehnen.
  • Abweichungen sind nur im engen Rahmen (z. B. Honorarvereinbarung nach § 2 GOÄ) zulässig.

2. Schwere vs. leichte Verstöße

Das Gericht unterscheidet:

  • Schwer wiegender Verstoß:
    • Abrechnung von Leistungen, die nicht erbracht wurden,
    • Abrechnung von Positionen, die nach GOÄ grundsätzlich nicht abrechnungsfähig sind.
  • Leichter wiegender Verstoß:
    • Leistung wäre zwar grundsätzlich analog abrechenbar,
    • aber die Rechnung erfüllt nicht die formellen Anforderungen (z. B. Kennzeichnung „analog“, Beschreibung der Leistung, Hinweis „entsprechend“).

Beide Konstellationen können berufsrechtlich relevant sein, die Schwere entscheidet über die Art der Maßnahme.

3. Falsche GOÄ-Ziffern und Analogabrechnung

  • Der Arzt nutzte u. a. Ziffern für homöopathische Erstanamnese oder Diabetikerschulung, obwohl weder Homöopathie noch diabetologische Schulung im engeren Sinne vorlag.
  • Teilweise wurden Ziffern mehrfach abgerechnet, obwohl der Leistungstext das nur einmal jährlich zulässt.
  • Die Kammer sah darin keine vertretbare Auslegung, sondern eine bewusste oder zumindest grob fahrlässige Fehlanwendung zur Honorarsteigerung.
  • Analogabrechnungen nach § 6 Abs. 2 GOÄ setzen voraus:
    • selbständige, nicht im Gebührenverzeichnis enthaltene Leistung,
    • Wahl einer gleichwertigen Ziffer (Art, Kosten, Zeitaufwand),
    • klare Kennzeichnung „analog“ und verständliche Beschreibung in der Rechnung.
  • Diese Anforderungen wurden hier gerade nicht eingehalten.

4. Reisekosten und „Besuch“ nach § 9 GOÄ

  • Flugkosten wurden als Reiseentschädigung für einen „Besuch“ nach GOÄ abgerechnet.
  • Das Gericht stellt klar: Ein „Besuch“ liegt nur vor, wenn der Arzt den Patienten in dessen häuslichem Umfeld bzw. am Notfallort aufsucht – nicht, wenn der Patient verreist, um den Arzt aufzusuchen.
  • Die angesetzten Flugkosten waren daher nicht GOÄ-konform.

5. Rolle der Dokumentation

  • Fehlende oder lückenhafte Dokumentation schwächt die Position des Arztes deutlich.
  • Wo sich aus den Unterlagen keine Leistung entnehmen lässt, kann eine Abrechnung nicht gerechtfertigt werden.
  • In mehreren Fällen konnte das Gericht daher davon ausgehen, dass keine abrechnungsfähige Leistung vorlag, obwohl Ziffern berechnet wurden.

6. Berufsrechtliches Sanktionsniveau

  • Nicht jeder Abrechnungsfehler ist ein Berufsvergehen.
  • Berufsrechtlich einschlägig sind Fälle, in denen die Abrechnung deutlich unter dem Standard liegt, den die Ärzteschaft bei Anwendung der GOÄ typischerweise einhält.
  • Im konkreten Fall sah das Gericht eine wiederholte, zum Teil vorsätzliche Fehlabrechnung – deshalb Geldbuße von 3.000 Euro.

Praxisrelevanz für Abrechnung

Das Urteil hat hohe Relevanz für Praxen, MVZs und privatärztlich tätige Ärztinnen und Ärzte:

  • GOÄ-Konformität ist nicht nur eine Frage von Erstattung und Liquidität, sondern auch von Berufsrecht und Reputation.
  • „Kreative“ Ziffernwahl zur Honoraroptimierung kann zur berufsrechtlichen Maßnahme führen, insbesondere bei:
    • offensichtlich unpassenden Ziffern,
    • mehrfacher Abrechnung eigentlich singulärer Leistungen,
    • nicht erbrachten Leistungen,
    • Analogabrechnungen ohne Kennzeichnung.
  • Analogabrechnung bleibt möglich – aber nur bei echter Regelungslücke und sauberer formeller Umsetzung.
  • Saubere Dokumentation der Leistung ist der zentrale Schutzschild, wenn es zu Streit oder Prüfungen kommt.

Do's & Don'ts für die Praxis

✅ Do's:
❌ Don'ts:
    • GOÄ-Ziffern nur verwenden, wenn Leistungsinhalt und -umfang wirklich passen.
    • Analog abrechnen nur, wenn:
      • die Leistung nicht im Gebührenverzeichnis steht,
      • die gewählte Ziffer nach Art, Zeit und Kosten gleichwertig ist,
      • die Rechnung dies klar als „analog“ ausweist und die Leistung verständlich beschreibt.
    • Telefongespräche mit den dafür vorgesehenen Beratungsziffern (z. B. Nr. 1 oder 3 GOÄ) abrechnen, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.
    • Reisekosten strikt nach § 9 GOÄ handhaben (echte Haus-/Heimbesuche, Notfallorte).
    • Dokumentation so führen, dass Leistung, Zeitaufwand und Inhalt nachvollziehbar sind.
    • Lange Gespräche pauschal mit hochbewerteten Spezialziffern „auffüllen“, nur weil der Betrag passt.
    • Leistungen abrechnen, für die es keinerlei dokumentierten Leistungsnachweis gibt.
    • Telefonische Kurzkontakte als komplexe Schulungen oder homöopathische Anamnesen deklarieren.
    • Flug- oder andere Reisekosten aus Patientensicht als „Besuche“ abrechnen.
    • Analogabrechnungen ohne Kennzeichnung und ohne nachvollziehbare Leistungsbeschreibung in die Rechnung schreiben.

    Doctario's Kommentar

    Das Urteil des VG Berlin zeigt deutlich: Die GOÄ ist kein Werkzeugkasten für beliebige „Interpretationen“, sondern der verbindliche Rahmen für privatärztliche Abrechnung – auch berufsrechtlich.

    Gerade in Bereichen wie Präventivmedizin, funktioneller Medizin oder individuellen Gesundheitsleistungen ist die Versuchung groß, komplexe Beratungskonzepte über „passende“ Ziffern zu monetarisieren. Das Gericht macht klar:

    • Vertretbare Auslegungsfragen gehören ins zivilrechtliche Verhältnis zwischen Arzt und Patient/Kostenträger.
    • Offensichtliche, systematische Honorarmehrung durch falsche Ziffern, nicht erbrachte Leistungen oder „versteckte“ Analogabrechnungen sind eine Frage der Berufswürdigkeit.

    Für moderne Praxen bedeutet das:

    • Eine professionelle, GOÄ-konforme Abrechnungslogik ist kein Luxus, sondern eine Pflicht.
    • Wo Software, KI und spezialisierte Abrechnungsteams helfen, Fehler zu vermeiden und Analogabrechnungen sauber zu begründen, sinkt nicht nur das Risiko von Kürzungen – sondern auch das Risiko berufsrechtlicher Verfahren.

    Kurz gesagt:
    Wer transparent, dokumentiert und GOÄ-treu abrechnet, schützt nicht nur seine Erlöse, sondern auch seine berufliche Integrität.

    Häufig gestellte Fragen

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